Hofft nicht auf die goldene Hand!

■ Kulturpolitisches Hearing „Lebendige Stadt“: Literatur in Bremen. Utopien keine, Wünsche viele

„Bestandsaufnahme, Wünsche, Träume, Utopien“ sollten auch auf dem jüngsten kulturpolitischen Hearing formuliert werden, diesmal zur Literatur in Bremen.

Die Veranstaltung im Theater am Leibnizplatz zerfiel ziemlich präzise in einen unterhaltsamen Anfang, bei dem eine Runde Bremer SchriftstellerInnen (Detlev Michelers, Michael Augustin, Rüdiger Kremer, Antonia Loukakou) eigene Texte las und so witzig wie unauffällig demonstrierte, daß es spitze Federn in Bremen gibt und auch Leut, die sie führen können.

Den mittleren Teil bestimmte, anstelle von Wünschen und Utopien, ein braver gewerkschaftlicher Forderungskatalog Bremer VS-Vertreter von finanzieller Autoren-Versorgung bis zur Förderung der literarischen Infrastruktur, der Podium und Publikum progressiv vereisen ließ. Tauwetter gen Schluß brachten kräftige Plädoyers für (kommer

zielle) Eigeninitiative statt Warten auf den Staat.

Teil 1: Jürgen Alberts‘ Beitrag „Gestrandet zwischen ABM und IBM oder: Warum ich kein Standortvorteil bin“ schloß mit einem - halbernsten - Aufruf an die „Mitschreiberlinge: hofft nicht auf die goldene Hand des Mäzens, alias Kunstsenat, macht euch selbständig, insbesondere im Kopf“ und mit der Lügengeschichte vom Autor, der so lange nicht merkt, daß er keinen Einfall mehr hat, wie er Geld auf dem konnte hatte. „Als aber das Geld verbraucht war, wurde aus dem Autor ein brauchbarer Silberschmied, der sein gutes Geld verdiente. Und manchmal schaute er hinunter in die rechte Schublade seines Schreibtisches und weinte seinen unveröffentlichen Manuskripten keine Träne nach.“

Teil 2: Bremer VS-Vertreter Thomas Frey stellte an den Beginn eines langen Kataloges von Forderungen an den Senat dieje

nige nach AutorInnen ermöglichen. Sie sollen AutorInnen ermöglichen, „mindestens ein Jahr kontinuierlich an einem Werk zu arbeiten“, aber anders als die Künstler -Sozialförderung nicht an soziale Bedürftigkeit gebunden sein. Aus dem Publikum kritisiert Herr Maas-Radziwill, daß dies die Frage nicht löst, warum der Markt für die fordernden Autoren so unergiebig ist und daß die staatliche Hilfe die Leser nicht dazu bringen wird, zu reagieren, wie sie sollen. Ein Lehrer aller Schularten beklagt die unglaubliche Literaturferne einer ganzen Schülergeneration. Nicht mal Namen kennen die, nichts.

Teil 3: Hermann Pölking-Eiken (Steintor-Verlag) stößt massiv in Alberts‘ eingangs geblasenen Horn. Bremen sei schon deshalb keine Stadt für Schriftsteller, weil die Verlage fehlen. Daß die Stadt dem abhelfe, sehe er nicht, weil sie so pleite sei, wie sie tue. „Ich glaube nicht, daß aus öffent

lichen Etats Hilfe kommt.“ Und: „Ich sehe keine Perspektive außer der knallharten kommerziellen.“ Bücher seien oft noch zu billig, die Produktion zu teuer, aber über High-Lasersatz zu senken.

Und schließlich Bernd Gosau: „Ich habe eine Weile gedacht, ich sitze hier falsch, weil ich diese ganze Fürsorge für Literatur nicht will“. Wie Michael Augustin für sich unterschieden hatte, verdienten auch die Stint-Autoren sich nur die „Wurst“, nicht aber ihr „Brot“ mit Literatur und hätten ein Risikoprojekt wie „Stint“

ungefördert zuwege gebracht.

Kurz: Die Argumentation der Autorin Edith Laudowicz, sie wolle eine Literaturförderung, von der man leben könne, „ohne immer Lehererin bleiben zu müssen“, überzeugte kaum mehr wie Liz Wieskerstrauchs Begründung der Notwendigkeit von Literatur in Bremen mit: „Sonst müßte ich ja meinen Beruf wechseln.“ „Würde das jemanden vom Stuhl hauen?“ fragte Michael Augustin ins Publikum. Das blieb sitzen.

Uta Stolle