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„Fähig, fair und grundsatztreu“

■ Abgesänge Berliner Politiker auf die zurückgetretene Fraktionschefin der Alternativen Liste, Heidi Bischoff-Pflanz

Eine schockierte AL-Fraktion und lauter betroffene SozialdemokratInnen: So war gestern die Stimmung in der Koalition nach dem Rücktritt von Heidi Bischoff-Pflanz. Fast sieben Stunden debattierten die AL-Abgeordneten unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Das magere Statement nach der Sitzung: Der Rücktritt der bisherigen Fraktionschefin sei ein „Symptom“ dafür, daß Inhalt und Stil der SPD -Regierungspolitik zu einer zunehmenden Belastung für die rot-grüne Koalition werde. Über die Neubesetzung des Fraktionsvorsitzes solle am Dienstag beraten werden.

„Ich finde das traurig!“, kommentierte Sozialsenatorin Stahmer den Rücktritt, betonte aber gleichzeitig, daß die Al sich nicht „immer in Forderungen reinzwingen soll, die dann nicht zu erfüllen sind“. In den Kanon des Bedauerns stimmte auch Innensenator Erich Pätzold ein, der den Rücktritt der „sehr fähigen, fairen und grundsatztreuen Kollegin“ für falsch hält und hofft, sie werde sich das noch mal überlegen. Im übrigen schätze er die AL als „menschlich sehr angenehmen Koalitionspartner“, auch wenn es manchmal „sehr stressig“ sei. Eckhard Barthel, ausländerpolitischer Sprecher der SPD, hält die Entscheidung für doppelt bedenklich, „sowohl wegen der ImmigrantInnen- und Flüchtlingspolitik als auch für die gesamte Koalition“. Keine Auswirkungen auf die Koalition befürchtet vorerst die Vorsitzende des Ausländerausschusses, Helga Korthaase (SPD), die freimütig einräumte, der Rücktritt habe „zu zwei Dritteln mit uns zu tun, zu einem Drittel mit der AL“. Im übrigen habe sie eher mit dem Rücktritt von Frauensenatorin Anne Klein gerechnet. „Tief betrüblich“, lautete die spontane Reaktion von Harry Ristock, Ex-Bausenator und Laubenpieper. Trotz uneingeschränkter Sympathie für die AL -Politikerin (Ich kenne sie noch als Falkengruppenleiterin...“) mißbilligte der Alt-Sozi ihren Schritt. „Ich verstehe nicht, daß sie den Kram einfach hinschmeißt.“ Der stellvertretende Vorsitzende der CDU, Volker Hassemer, hält es auch angesichts des Rücktritts für „unwahrscheinlich, daß die Koalition noch lange hält“. Die AL habe sich in letzter Zeit in einer Art und Weise „verbogen“, die ihn überrascht habe. Die Positionen von SPD und AL lägen zu weit auseinander, da wundere es ihn nicht, daß der „Nervenverbrauch bei Rot-Grün“ so hoch sei. Auf eine große Koalition angesprochen, meinte Hassemer, daß man in der jetzigen deutschlandpolitischen Lage „nichts ausschließen“ könne.

anb/ccm Siehe auch Interview auf Seite 22

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