: Freie Schulen unter Druck
■ Bundesverbandstreffen der Freien Schulen / „Betonköpfige Verwaltungen“ verweigern Genehmigungen / FS-Kreuzberg will Schulbetrieb wieder aufnehmen
Selbstbewußtsein prägte das 23. Bundestreffen der Freien Alternativschulen (FAS), das am Wochenende in West-Berlin stattfand. Als Alternative zu den staatlichen Schulen betonen die FAS die Gleichrangigkeit von musischem und handwerklichem Lernen. Ohne Notendruck und Schulangst wollen sie den Kindern die Möglichkeit geben, in kleinen Gruppen kreativ und selbständig zu lernen. Unter den etwa 200 Teilnehmern fanden sich erstmalig DDR-BürgerInnen. Auch sie mußten mit einer Illusion aufräumen: Die Freiheit auch in der BRD macht vor dem Bildungswesen halt.
Auf der Pressekonferenz am Sonntag berichteten Wolfgang Borchert, Freie Schule Bochum und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der FAS, Elisabeth Bolda, Freie Schule in Berlin e.V. und Adelheid Sieglin, Freie Schule Kreuzberg über die Ergebnisse des Bundestreffens. „Die Aufbruchstimmung in Osteuropa hat sich leider nicht auf die Bundesrepublik übertragen“, bedauerte Borchert. In Budapest zum Beispiel wurde jüngst eine Freie Alternativschule gegründet und mit erheblichen finanziellen Mitteln ausgestattet. Für ihre 30 Plätze lägen mittlerweile 5.600 Anmeldungen vor. Hierzulande müssen sich die Initiatoren mit einer „betonköpfigen“ Verwaltungspraxis plagen: Derzeit sind lediglich zehn von den zwanzig arbeitenden FAS genehmigt.
Eltern, die ihre Kinder auf eine illegal arbeitende Schule schickten, würden kriminalisiert und müßten Geldstrafen zahlen, was in den europäischen Nachbarländern immer wieder Erstaunen auslöse, kommentierte Mandred Borchert.
In den staatlichen Schulen herrsche das Chaos, neue Konzepte und Perspektiven seien bitter nötig. Staatlicherseits aber diktiere vor allem die Angst vor Macht - und Kontrollverlust das Handeln. Die selbstverwalteten FAS, in denen Eltern und LehrerInnen Inhalt und Methodik selbst bestimmen, würden einen enormen innovativen Schub im Schulwesen bewirken.
Auch Elisabeth Bolda von der Freien Schule in Berlin kann ein Lied von den „ewigen politischen Experimenten auf Kosten der Kinder“ singen. „Im Sommer werden es zehn Jahre, daß wir mit den Behörden ringen.“ Gegenwärtig besuchen 91 Kinder die „vorläufig genehmigte“ Schule. Von 23 Kindern, die nach der Grundschulzeit die Schule verließen, besuchen 10 ein Gymnasium, 11 die 7., 8. und 9. Klasse einer Gesamtschule, ein Kind besucht die 10. Klasse mit einer Realschulempfehlung, und ein Kind machte einen erweiterten Hauptschulabschluß. Die VertreterInnen der Schule wiesen mit diesen Zahlen jede Kritik hinsichtlich der schulischen Leistungen der Kinder als substanzlos zurück. Der hohe Teil der vorzeitigen SchulabgängerInnen (25 Kinder haben die Freie Schule vor dem Grundschulabschluß verlassen) sei vor allem auf die immer noch ungeklärte Existenz der Schule zwischen zeitlichen Verboten zu erklären.
„Vor allem die juristische Arbeit hat uns das Kreuz gebrochen“, so Adelheid Sieglin von der Freien Schule Kreuzberg. Die Kreuzberger Initiative arbeitete acht Jahre illegal und will nun nach zwei Jahren Pause den Schulbetrieb wieder aufnehmen. Sie ist in ihrem Kampf um staatliche Genehmigung durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht gegangen. Die Entscheidung des BVG wird im Spätsommer erwartet.
Heike Jahnz
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