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Warum so mickrig?

■ Kripo-Neubau: Stasi-Zentrale in Ost-Berlin wäre die ideale Alternative zum 333-Millionen-Projekt

In einer Baugrube fand gestern am Tempelhofer Damm die Grundsteinlegung der neuen Kripo-Zentrale statt - vielleicht völlig vergebens, wenn man sich in letzter Sekunde einem der taz zugespielten Vorschlag anschlösse. Doch davon wußte keiner etwas - und so ging alles seinen gewohnten Gang: Innensenator und Polizeipräsident zeigten sich bei bester Laune, denn nun bekomme die Kripo endlich ihr Häuschen - mit Wasserfall, Tümpel und hängenden Gärten. Alles zusammen für lumpige 333 Millionen Mark. Dafür könnte man gerade mal popelige 11.000 Wohnungen in Ost-Berlin sanieren. Überglücklich wurden gestern nun die Baupläne und ein Stück der Mauer in einer Kupferröhre rostfrei im Grundsockel beerdigt. Zum Schluß äußerte ein Redner die Hoffnung, daß es ein Gebäude für ganz Berlin werde, und schlug mit einem Hämmerchen auf einen güldenen Grundstein - Amen.

Vielleicht umsonst. Denn in dem aufgetauchten Papier ist von einer ganz neuen Lösung aller Probleme aller Berliner Polizeien die Rede: den nutzlosen Stasi-Stadtstaat an der Normannenstraße. Dieser hätte auf einen Schlag alles, was Polizisten so dringend brauchen - unterirdische Schießanlagen und Zellenkomplexe, Labore, Büros, luxuriöse Präsidentensuiten, Platz für einen riesigen Fuhrpark, Konferenzsäle für Lagebesprechungen jeglicher Größe, einen Supermarkt, einen hauseigenen Friseur und alles, wovon ein Polizistenherz sonst noch so träumt. Allein die 140.000 laufende Meter Akten, um deren Zukunft sich das Ostberliner Bürgerkomitee noch schwere Sorgen macht, hätte auf diese Art einen zuverlässigen Schirmherr und Nutzer gefunden, der sie sicher vor alter Stasi und neuem Verfassungsschutz behüten würde. Es wäre soviel Platz, daß Ost- und Westberliner Polizei mit ihren Familienangehörigen unter ein Dach ziehen könnten, womit in Zukunft die Probleme der Wiedervereinigung zumindest für die Polizei endgültig gelöst sein dürften. Die hängenden Gärten und Wasserfälle ließen sich zwischen den 40 Häuserkomplexen zur Erholung von der ermüdenden und kräftezehrenden Verbrechensbekämpfung viel schöner und größer anlegen.

Markstein

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