: Südafrika auch diplomatisch isolieren
Frank Chikane ist Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates (SACC) und führender Anti-Apartheid-Aktivist ■ I N T E R V I E W
taz: Auf einer Krisensitzung am heutigen Mittwoch in Johannesburg wollen Sie und andere südafrikanische Kirchenführer über Möglichkeiten zur Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Verhandlungsstrategien des ANC und des PAC gegenüber der Regierung de Klerk beraten. Wie beurteilen Sie die Aussichten für ein gemeinsame Vorgehen der beiden Befreiungsbewegungen und der ihnen jeweils nahestehenden Organisationen?
Frank Chikane: Der PAC verlangt die Rückgabe des Landes an die Schwarzen vor dem Beginn von Verhandlungen mit der Regierung. Der ANC sagt, das ist unrealistisch, nicht zuletzt, weil viele Jahrzehnte nach dem Landraub durch die Weißen niemand mehr genau weiß, welches Land wem gehört. Diese Frage mit all ihren Detailproblemen, so der ANC, gehört auf den Verhandlungtisch. Vorab reicht die grundsätzliche Bereitschaftserklärung der Regierung, die ungerechte Landverteilung sichernden Gesetze aufzuheben. Der ANC ist zur Verhandlungsaufnahme bereit, falls de Klerk vorher drei Bedingungen erfüllt: Freilassung aller politischen Gefangenen, Rückkehrerlaubnis für alle Exilierten sowie Aufhebung der Ausnahmegesetzgebung (Internal Security Act). Der PAC ist gegen Verhandlungen zum derzeitigen Zeitpunkt, weil er nicht glaubt, daß de Klerk diese Bedingungen erfüllt. Das ist der Kern des Dissenses. Ich rechne jedoch damit, daß de Klerk positiv reagiert bis spätestens zu dem von ihm vorgeschlagenen Termin für den Verhandlungsbeginn am 11. April. Dann könnte umgehend ein Waffenstillstand mit der Regierung vereinbart werden, und auch der PAC wäre dann bereit zu verhandeln.
Heißt das, es bedarf keines äußeren Drucks mehr auf Pretoria?
Es geht nicht darum, die Weißen Südafrikas zu strafen, sondern darum, de Klerk und seine Anhänger zu bestärken in ihrer Erkenntnis, daß ihr eigenes wirtschaftliches und politisches Überleben nur durch die zügige, völlige Abschaffung der Apartheid gewährleistet ist. Für diese Bestärkung bedarf es nicht der Aufhebung von Sanktionen, sondern ihrer Verschärfung sowie der diplomatischen Isolation Südafrikas. Deswegen war das Treffen von US -Außenminister Baker mit de Klerk in Windhuk voreilig.
Am Montag abend wurden bei einem Polizeieinsatz gegen Demonstranten in Sebokeng bei Johannesburg 300 Menschen verletzt und acht getötet. Ist das ein extremer Einzelfall?
Nein, das ist nur einer von vielen ähnlichen Vorkommnissen, und wir befürchten, daß es noch zu schlimmeren Zwischenfällen kommt, solange der Internal Security Act in Kraft bleibt, mit dem der Polizeieinsatz rechtlich begründet wurde.
Unter westlichen Südafrika-Experten ist die Ansicht verbreitet, daß der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus eine Schwächung für den Befreiungsprozeß der Schwarzen im südlichen Afrika bedeute. Teilen Sie diese Analyse?
Nein. Das Gegenteil ist richtig. Es stimmt zwar, daß wir von den Ländern Osteuropas jahrelang unterstützt wurden während die meisten westlichen Staaten, vor allem die großen mächtigen, das Apartheidregime und frühere Kolonialregimes in unserer Region unterstützt haben. Zugleich aber waren wir immer das Opfer der ideologischen West-Ost -Auseinandersetzung - unsere Befreiungsbemühungen wurden ausschließlich unter diesem simplen Raster interpretiert und als „kommunistisch“ etikettiert. Jetzt haben wir endlich die Chance, unser eigenes Modell zu entwickeln.
Wie wird das aussehen?
Es gibt noch keinen detaillierten Plan. Es wird ein dritter Weg zwischen ausbeuterischem Kapitalismus und autoritärem Staatssozialismus werden.
Was halten Sie von der Absicht einer wachsenden Zahl von Menschen aus Osteuropa, nach Südafrika auszuwandern?
Die Kirchen und die Befreiungsbewegungen sind entschieden dagegen und appellieren an sie, zu Hause zu bleiben und sich dort am Wiederaufbau zu beteiligen. Wir haben nichts gegen diese Menschen. Wenn wir in einem befreiten Südafrika eines Tage ausgebildete Arbeitskräfte aus dem Ausland brauchen, werden wir sie gerne willkommen heißen. Derzeit wirbt das Apartheidregime diese Menschen jedoch gezielt an, anstatt in die Ausbildung von Schwarzen zu investieren. Damit werden diese Menschen aus Osteuropa, ob sie es wollen oder nicht, zu einer Stütze der Apartheid.
Das Interview mit Pfarrer Chikane führte Andreas Zumach am Rande der Tagung des Zentralausschusses des Weltkirchenrats in Genf.
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