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„Deutschtümelei“ im Osten wie im Westen

■ Wenn In- und AusländerInnen aus Ost und West erzählen

Eine ungewöhnliche Gruppe von acht Frauen: Die Mitglieder leben sowohl in Ost- als auch in West-Berlin, sind Türkinnen, Polin und sind Deutsche. Gemeinsam ist ihnen ihr antirassistisches Engagement. Ihr Thema auf der Frauenwoche: „Deutschtümelei - Ängste und Utopien von Frauen. Berlin seit dem 09.11.1989“. Tina und Helga vom „Unabhängigen Frauenverband“ der DDR bestätigten Berichte vom rechtsextremen Wahn in der Republik, der vor allem seit dem 9. November sich in einer breiteren Öffentlichkeit zu etablieren scheint. Die verordnete Solidarität der SED mit den sozialistischen Ländern der „Dritten Welt“ und die Ideologie des Antifaschismus schlagen ins Gegenteil um.

Die DDR demonstrierte der inländischen Bevölkerung die Hierarchisierung der Menschen nach Nationalitäten: Z.B. haben Angolaner während ihrer Facharbeiterausbildung überhaupt keinen Anspruch auf Urlaub, Cubaner können alle vier Jahre einmal ihren Urlaubsanspruch geltend machen, Polen aber dagegen jährlich. Im bilateralen Abkommen zwischen der DDR und den jeweiligen Herkunftsländern ist auch festgelegt worden, daß z.B. Angolaner fünf Monate zum Erlernen der deutschen Sprache brauchen dürfen und die Vietnamesen nur ein bis drei Wochen. Dazu kommt die Bestrafung von ausländischen Frauen, indem z.B. Ärzte und Betriebe verpflichtet sind, Schwangerschaften von Vietnamesinnen zu melden, die dann zurückgeschickt werden.

Im Westteil der Stadt sieht es

nicht viel besser aus, obwohl die Westmedien sich auf den Rassismus in der DDR konzentrieren. Die West-Berliner Polin Eva mußte zum Beispiel aufgrund der Schikane von Nachbarn, Polizei und Justiz ihre Wohnung wechseln. Die beiden Berliner Türkinnen berichteten ähnliches. Gülay fühlt sich nicht nur von alltäglichem Rassismus bedroht, sondern auch von dem neuen Entwurf des Bonner Ausländergesetzes. Gülay macht ihr eigener bedrohter Aufenthaltsstatus Kopfzerbrechen - und die ökonomische Situation vor allem der ausländischen Frauen, die - wenn sie arbeitslos werden - in den nächsten Jahren unter dem Schäuble-Gesetz von Massenabschiebungen bedroht sind.

Die Veranstaltung „Deutschtümelei“ sollte jedoch nicht nur ein Erfahrungsaustausch sein, sondern uns auch Raum bieten, Gemeinsamkeiten zu entdecken, Utopien auszuspinnen. Dazu kam es leider nicht. Es scheint, als ob die „ausländischen“ und „ausländisch“ aussehenden Frauen allein das Leid des Rassismus tragen müssen. Denn der Bezug zum Dasein einer inländischen Frau und vor allem Feministin konnte nicht hergestellt werden.

Inländerinnen erwähnten zwar, daß es für antirassistische Projekte keinen Pfennig gäbe, daß die Frauenfrage im Zuge der Entwicklungen in der DDR in den Hintergrund gedrängt worden sei und daß auch sie Ängste hätten, doch zu einer Konkretisierung der Situation der Inländerinnen langte es nicht.

Zerrin Dalhoff

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