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Le Pen souffliert Bürgerlichen Parolen

Während die rechte „Front National“ in Nizza tagte, trug die bürgerliche Opposition deren ausländerfeindliche Thesen vor / Giscard: „Frankreich ist kein Einwanderungsland“ / Antirassismus-Plan der Regierung ohne Konsens  ■  Aus Paris A. Smoltczyk

Frankreichs Front National setzt an zum Endspurt auf die Macht. „Wir können uns den Luxus leisten, nicht mehr von der Immigration sprechen zu müssen, weil die anderen es mittlerweile übernommen haben“, erklärte Jean-Marie Le Pen Samstag auf dem Kongreß der Front National (FN) in Nizza. Die anderen - damit meinte er die bürgerliche Opposition, die sich ebenfalls am Wochenende zu ihren „Generalständen zur Immigration“ in der Banlieue-Gemeinde Villepinte getroffen hatte. Und wenn Le Pen auch in Nizza ohne jede Gegenstimme wiedergewählt wurde, so konnte er seinen entscheidenden Sieg anderswo verbuchen.

„Frankreich ist kein Immigrationsland“, deswegen müßten Asylanten soziale Rechte gestrichen und eine „Null-Quote der Immigration“ erreicht werden - solcherart drückte sich vorgestern nicht etwa der Chef der FN aus, sondern Frankreichs Ex-Präsident Giscard d'Estaing. Und dieser forderte zugleich eine Reform des liberalen Einbürgerungsgesetzes. Giscard, der sich seit Monaten jeglicher Kritik an den verbalen Exzessen Le Pens demonstrativ enthalten hat, sammelte mit seiner Grundsatzrede üppigen Beifall. Pfiffe dagegen gab es für den Bürgermeister von Villepinte, der die nordafrikanischen Einwanderer für ebenso integrierbar erklärte wie die Polen und Portugiesen.

Währenddessen leistete sich die Front National im sonnigen Nizza den „Luxus“, über Ökologie und soziale Fragen zu reden, gestört nur von 700 Mitgliedern der jüdischen Gemeinde, die dort gegen Schönhubers Auftritt protestierten. Nachdem seine Partei, so Front-Sprecher Bruno Megret, jahrelang den Boden für „die nationale Frage“ beackert habe und bei allen Wahlen im Schnitt auf 15 Prozent kommt, ginge es nun, um „den Marsch an die Macht“. Daß es sich nicht nur um Sprüche handelt, zeigen die letzten Wahlergebnisse der FN. Bei fast allen Nachwahlen der letzten zehn Monate gewann sie deutlich Stimmen - und zwar in allen Volksschichten.

Natürlich handelt es sich bei den Wahlerfolgen der FN um Protestvoten jener, die sich von der politischen Aristokratie in ihren Plattenbau-Ghettos alleingelassen fühlen. Nur: Auch Protestwähler machen Politik. 1.099 Delegierte hat Le Pen in Gemeinderäten sitzen. Die sollen sich jetzt in strategische Positionen infiltrieren, um - aus der Stärke heraus - das Bündnis mit den Bürgerlichen vorzubereiten. In Nizza konnte der Haushalt des rechten Bürgermeisters vergangene Woche nur mit den Stimmen der Front verabschiedet werden, und nicht wenige Oppositionspolitiker halten eine weitere Tabuisierung Le Pens für selbstmörderisch.

Nachdem allein Anfang März vier junge Franzosen maghrebinischer Herkunft niedergeschossen worden sind, ist der zunehmende Rassismus nun auch Regierungsangelegenheit geworden. Premierminister Rocard hat sich einen Plan schreiben lassen (mittlerweile Nummer 3 in der Reihe von Antirassismus-Plänen), der unter anderem empfiehlt, Menschenrechtsvereinigungen in ihrem Status als Kläger zu stärken und den Begriff des „Privatbereichs“, in dem rassistische Äußerungen nicht strafrelevant sind, enger zu fassen. Rocard möchte die bürgerliche Opposition zu einem republikanischen Konsens in Sachen Integration und Immigration gewinnen. Für den morgigen Dienstag hat er alle Parteiführer (außer Le Pen) eingeladen, um seinen Plan am runden Tisch zu diskutieren. Chirac und Giscard haben eine Teilnahme abgelehnt. Sie sehen in dem „Laxismus“ der Sozialisten gegenüber der illegalen Immigration den eigentlichen Grund für Rassismus. Das sieht Le Pen nicht anders, und so dürfte letzterer auch weiterhin viel Muße für „Luxus“ haben auf seinem Weg zur Macht.

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