Zeitung mit Niveau

■ betr.: "Die Gastarbeiter - 50 Jahre Deutsche leben und lassen leben auf der Südsee-Insel", taz vom 15.2.90

betr.: „Die Gastarbeiter - 50 Jahre Deutsche leben und lassen leben auf der Südsee-Insel“,

taz vom 15.2.90

(...) Acht Jahre lebe ich auf der Südsee-Insel Tonga (Nuku'alofa). In den vergangenen acht Jahren verbinden schöne Erinnerungen an diese Inselwelt und ihre Menschen; dabei muß man dann derartige verzerrte Berichte (von seiten ihres Mitarbeiters Bernd Müllender) über sich ergehen lassen.

Dazu nur ein paar Dinge: Es stimmt, der Tag des Mauerdurchbruchs war auch auf Tonga ein Besonderer. Warum auch nicht. Jeder Deutsche freute sich, daß die Mauer gefallen war. Versetzen Sie sich in die Leute, die jahrelang darauf gewartet haben.

Was nicht stimmt: Es wurde nicht die National-Flagge gehißt, nicht die Nationalhymne in die laue Sommernacht hinaus gegröhlt. Eine deutsche Ärztin, die hier über zwei Jahre ansäßig ist, hatte zu einem Umtrunk eingeladen. Auch von den hier lebenden Deutschen wohnen noch Mutter und Bruder in der DDR. Warum so einen negativen Bericht über diese Angelegenheit. Leute, die hier seit 1982 (nach dem Hurrikan „Isak“) Pionierarbeit geleistet haben (ohne deutsche Entwicklungshilfe und Gelder) kommen durch Ihren Mitarbeiter in Mißkredit.

Ich denke, Sie sind eine Zeitung mit Niveau, und Mitarbeiter wie Herr Bernd Müllender sollten noch einmal in die Schule für Journalismus gehen. Für Ihre Redaktion und Zeitung ist dieser Mann kein Aushängeschild. Unter Journalismus versteht man doch berichtende, kritische oder erläuternde Behandlung von Tagesgeschehen und Zeitfragen in der Zeitung. Für mich ist dieser Mann ein geistiger Kleinrentner, den man nicht in die weite Welt für so eine Zeitung entsenden sollte. Soviel ich weiß, hat die taz früher befähigtere Journalisten ins Ausland entsandt.

Weiterhin läßt er sich aus über den Chefingenieur der könglichen Fahrzeugflotte (ohne ihn kennengelernt zu haben). Es ist entwürdigend, was er vom Stapel läßt. Weiß Ihr Mitarbeiter eigentlich, daß dieser Mann eine eigene Mercedes -Benz-Werkstatt hat unter dem Namen Mercedes Benz Tonga Ltd., daß der König, die Regierung von Tonga sowie Mercedes Benz, Stuttgart und Mercedes Benz, Australien dahinter stehen? Daß dieser Mann 1982 zwei tonganische Kinder adoptiert hat, zusammen mit seiner Ehefrau, und die Kinder später die Erben sind? Welcher Deutsche würde das heute noch machen? Es klingt wohl wie ein Märchen in Ihren Ohren, aber es ist die Tatsache.

So könnte es eigentlich weitergehen mit dem Bericht über eine Bioingenieurin, die ein hervorragendes Können bewiesen hat in dem Aufbau der Solarheizer, Bau-Oberrat und Parchen der Brehm-Stiftung. Alles hervorragende Leute.

Nur die anderen Troubles-maker, die in der Minderheit sind, oder deutsche Touristen (daß man sich schämen muß, Deutscher zu sein), denen nichts gut genug ist auf so einer kleinen Insel, weil man ja soviel Geld bezahlen muß, um die Südsee zu sehen, die werden hier überhaupt nicht erwähnt. Dieses wäre doch einmal einen Bericht wert aus anderer Perspektive und viel interessanter.

Der König, ein freundlicher und aufgeschlossener Herr mit hervorragenden deutschen Geschichtskenntnissen, trinkt nicht, macht auch daraus gar keinen Hehl, wenn man mit ihm darüber spricht. Trotzdem fallen und schreibt man zynische Worte.

Kein Zweifel, er ist ein gewichtiger Mann, aber ganz bestimmt können etliche Bundesbürger sich durchaus mit ihm in dieser Hinsicht messen. Die Tonganer verstehen Feste zu feiern und das Essen ist dabei eben mit die Hauptsache. Bei einer Königshochzeit feiert nach altem Brauch die ganze Insel mit.

Nichts in diesem Bericht von der Musikfreudigkeit und diesbezüglichen Begabung der Tonganer. Nichts über die vielen Chöre, die ohne Übertreibung auch ein deutsches Publikum begeistern würden. Das ist nicht weiter gefragt, wäre ja nicht kritisch genug.

Ganz klar, Tonga hat auch seine Probleme, sogar eine ganze Menge, aber bestimmt nicht durch die Deutschen, die hier leben. Warum müssen gerade Sie, Herr Bernd Müllender, ein so deutschfreundliches Land, sprich: Insel, so einseitig und nur von der negativen Seite den deutschen Lesern Ihrer Zeitung darstellen. Es soll nichts beschönigt werden, aber den Tatsachen müssen die geschriebenen Dinge wenigstens entsprechen.

Erika Hetzel, Kingdom of Tonga South Pacific Islands