Weitere Massengräber in Sachsen vermutet

■ Durch die unmenschlichen Haftbedingungen kamen möglicherweise bis zu 8.000 Insassen eines sowjetischen Internierungslagers ums Leben / Größtes Massengrab in Bautzen / Bürgerkomitee spricht von 17.000 Opfern / Bis zu 13.000 Tote in Buchenwald

Dresden (afp/ap) - Die Enthüllungen über Massengräber mit ehemaligen Häftlingen sowjetischer Internierungslager in der DDR reißen nicht ab. Die 'Sächsische Zeitung‘ berichtete am Montag laut 'adn‘, in einem NKWD-Lager bei Mühlenberg seien bis zur Schließung 1948 vermutlich 8.100 Insassen durch die unmenschlichen Haftbedingungen ums Leben gekommen. Die Leichen wurden in Massengräbern von je 50 bis 100 Toten am Fuß einer alten Schanze am Rand des Lagers verscharrt.

Die Zeitung stützte sich bei ihrem Bericht auf zahlreiche Hinweise und Aussagen von Zeitzeugen, darunter eines Mannes, der von 1945 bis 1948 in Mühlenberg inhaftiert war. Das Lager war vor 1945 das größte Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht auf deutschem Boden und beherbergte nach Angaben des Mühlberger Ortschronisten Herbert Müller seinerzeit 46.000 Kriegsgefangene. Nach 1945 waren dort nach Berichten eines ehemaligen Insassen zwischen 8.500 und 12.000 Menschen interniert, darunter etwa 500 Jugendliche und 400 Frauen. Überwiegend handelte es sich dabei um Personen, die NS -Organisationen angehört hatten. Nur etwa 500 Häftlinge wurden verdächtigt, Mitglieder der SS gewesen zu sein.

Zur Zeit laufen beim Bürgermeister von Mühlenberg ständig neue Angaben ein. Auch früher hatte es schon zahlreiche Hinweise gegeben, die jedoch von den Behörden nicht weiter verfolgt wurden. Die Lokalbehörden wollen nun zusammen mit dem Runden Tisch des Ortes eine Arbeitsgruppe zur Aufklärung der Geschehnisse in dem einstigen Internierungslager bilden.

Das größte Massengrab aus der Nachkriegszeit mit Gebeinen von schätzungsweise 17.000 Gefangenen soll sich auf dem sogenannten Karnickelberg nahe der Strafanstalt Bautzen befinden. Entsprechende Vermutungen äußerte nach einem Bericht der DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ vom Wochenende Uwe Hörenz von der Initiativgruppe zur Bildung eines Komitees, das Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Bautzener Gefängnissen nach 1945 untersuchen will. In dem Internierungslager Buchenwald kamen nach Schätzungen von Mitarbeitern der dortigen Gedenkstätte zwischen 1945 und 1950 bis zu 13.000 Menschen ums Leben.

Laut 'adn‘ wurde auch die Strafanstalt Bautzen nach dem Krieg von der sowjetischen Geheimpolizei NKWD als Internierungslager genutzt. Weitere Gräber von Opfern werden bei dem nahegelegenen Dorf Niederkaina vermutet. Zuvor waren Massengräber in Fünfeichen bei Neubrandenburg und im Schmachtenhagener Forst bei Oranienburg mit den Gebeinen von mehreren tausend Toten gefunden worden.

In dem als „gelbes Elend“ bekannten Bautzener Gefängnis seien Internierte „auf Grund unmenschlicher Haftbedingungen“ verhungert, an TBC verstorben oder - mit und ohne Urteil hingerichtet worden, berichtete 'adn‘. Nachdem die Anstalt 1950 in die Verwaltung der DDR-Volkspolizei übergeben worden sei, eine Amnestie ausgeblieben sei und sich die Haftbedingungen weiter verschlechtert hätten, hätten die Häftlinge am 31. März vor 40 Jahren einen Aufstand versucht, der brutal unterdrückt worden sei.

Zum Gedenken an diese Ereignisse waren dem Bericht zufolge ehemalige Betroffene und Hinterbliebene, von denen viele heute in der Bundesrepublik lebten, am Samstag nach Bautzen gekommen. Nach der Begehung der einstigen Stätte des Grauens sollte ein „Bautzen-Komitee“ gegründet werden.

Auch im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald wurden nach Angaben der Direktorin der dortigen Mahn- und Gedenkstätte, Irmgard Seidel, Menschen von der sowjetischen Besatzungsmacht interniert. Von 1945 bis 1950 seien „nach sehr unterschiedlichen Schätzungen vermutlich 6.000 bis 13.000 der wahrscheinlich 32.000 Internierten an Hunger und Seuchen gestorben“, erklärte sie laut 'adn‘ bei einem Besuch des Berliner Regierenden Bürgermeisters Walter Momper, der mit SPD-Delegation nach Buchenwald gekommen war.