: „Vielleicht mit schrägem Blick zur Welt gekommen“
Günther Roeder, Maler und Karikaturist, im taz-Culture-Club: Einer, der aus Bremen über Berlin nach Südfrankreich auszog ■ hierhin bitt
den netten Man
G. Roeder, Maler, Karikaturist
taz: Du bist aus Bremen weggegangen, warum?
Günther Roeder: Da müßte man ja nun glauben, daß Bremen dafür verantwortlich ist, daß ich meine Füße bewege, und das ist doch ein bißchen groß gedacht. Sagen wir so: Es ist der Überdruß gewesen. Sich bewegen find‘ ich immer ganz gut. Wenn's auch kleine oder große Fluchten sind, man ist wenigstens Herr seiner Motilität.
Auf dem hiesigen Kunstmarkt wird man unbeweglich?
Naja, man könnte sagen, der ist ein bißchen verschlafen, verzopft. Aber er nährt seine Leute, jedenfalls hie und da mal einen. Und das ist in Bremen ja nicht wenig.
Aber Dich nicht.
Mich hat er nicht genährt, nee, einer der Gründe, weshalb ich weg hierhin bitt
den netten Man
Foto: Jörg Oberheide
gegangen bin. Das war aber in Berlin mit seinen 6000 Malern und ist in Südfrankreich, wo ich jetzt lebe, auch nicht anders.
Wieso Südfrankreich?
Hingekommen bin ich mehr zufällig, geblieben bin ich mutwillig. Ich war eingeladen, und dann hat's mir gefallen. Oder hab‘ ich einfach nicht wegkönnen? Ich weiß es nicht. Aber die Isolation ist eine ganz gute Arbeitsbedingung.
Du bist da produktiver geworden?
Natürlich, aber ob ich das dem genius loci zu verdanken hab, ist zweifelhaft. An sich muß man's wohl aus sich selbst rausspulen.
Du bist ja nicht nur Maler, sondern warst/bist auch Gerichtszeichner und Karikaturist. Zum Beispiel damals bei „Konkret“.
Angefangen hab ich als Karikatu
rist bei einem kleinen Harburger Blättchen, wo ich für alles, was irgendwie in Strichen und Punkten auszudrücken ist, verantwortlich war; nicht unangenehm, man wird professionell dabei. Und als Schnellzeichner bin ich nicht unbegabt.
Wie schnell?
Ganz schnell.
Ist das für dich ein Widerspruch, Karikaturist, Gerichtszeichner und Maler zu sein?
Diese Karikaturen sind sicher die angewendete Seite von etwas, was eigentlich unanwendbar ist. Und dann ist zu bedenken, daß zwischen den Fronten pinseln als untugendhaft gilt. Aber ich find's nicht unangenehm. Und genaugenommen wird der Maler ja nicht für die Bilder bezahlt, die er malt, sondern für die, die er nicht malt - eine Übersetzung der alten, nicht unklaren Weisheit, daß das Schöne nur der Anfang des Schrecklichen ist. Siehe Odysseus und die Sirenen: Er erträgt die Anwandlungen der Musen nicht. Auch für den Maler ist die Kunst schwer zu ertragen, auch für's Publikum.
Kannst Du auf die banale Frage, was Du malst, antworten?
Das ist nun schwer. Das Gleichgültige, schlechthin Gleichgültige. (Lacht). Doch, so muß man's sagen. Ich hab ja mit den Augen zu tun. Das ist das untätige Organ: macht nichts und erweckt alles. hier de
Münchhause
Und das, was man malen will, ist oft gleichzeitig das, was mißlingt. Eigentlich mußt du nicht genau wissen, was du malen willst oder wohin, du mußt nur gute Übergänge kennen, das ist der ganze Trick.
Möchtest Du eine Reaktion auf Deine Bilder?
Ja, aber da denk‘ ich kleinkarier
ter: Man wird natürlich gern bewundert, keine Frage. Aber es ist ja doch für das meiste Publikum ein Trost, daß es seinem Maler nicht mehr begegnet. Die Rezeption jetzt von van Gogh hängt ja nicht zuletzt an dieser obskuren Biographie, dem Leiden.
Van Gogh ist im Zuge der Todestagsfeierlichkeiten zum heftig komsumierten Maler geworden. Manche finden das pfui.
Man sollte glauben, das Werk würde geschädigt durch den Ansturm der Augen. Das ist eine magische Vorstellung, die teil‘ ich nicht.
Hat sich Dein Kucken zwischen Bremen-Berlin-Südfrankreich verändert?
Das sicher. Aber mir darüber Rechenschaft abzulegen wäre unangenehm, da müßte ich rationell malen wollen, und wer würde das tun?
Du bist grade zu Besuch in Bremen. Ist das nett?
Eher putzig. Als Exot ist man wohlgelitten, ein bißchen viel benutzt, aber das hat ja auch seine Nettigkeiten. Man ist nicht unbedingt gezwungen, Rechenschaft abzulegen für allerlei.
Stellst Du Dir manchmal die Leute vor, die deine Bilder aufhängen könnten?
Bestenfalls in einem abstrakten Sinn. Eigentlich müßte ich jemanden, der meine Bilder mag, so verachten, wie ich mich verachte, wenn ich sie male. Gegenüber dem Bild ist man immer ziemlich gering. Nehmen wir mal an, daß das Bild das Äußerste ist, was ich könnte, dann bin ich dem Bild gegenüber minderwertig. Sollte ich jemandem zumuten, das gleich zu empfinden? Nein, eigentlich will hier de
Scharfrichte
ich den nicht kennen. Es ist wie bei W.C.Fields: Jemand, der es nötig hat, meine Bilder zu bekucken, dem möchte ich nicht vorgestellt werden.
Findest Du Dich gut?
Das schon. Die konkrete Beschäftigung ist ganz köstlich. Also vorm Blatt Papier sitzen ist ganz vom Feinsten. Das Ärgerliche ist,
daß man sichs leisten können muß. Cezanne hat geglaubt, sich ein Vermögen zusammenzupinseln und hat am Ende seines Lebens festgestellt, daß er nicht von der Malerei, sondern für die Malerei gelebt hat.
Von was lebst Du momentan?
Von Erspartem und Ererbtem. Und irgendwann ist es alle, und dann werd‘ ich wohl wieder von Erarbeitetem leben müssen.
Mäzene müßte man haben...
Jaa... Mäzene haben ... so was Fremdes. Ich würde mich schon um so einen kümmern, aber ich glaube, ich wüßte einen Mäzen nicht zu erkennen, wenn er vor mir stünde. Gespräch: Claudia Kohlhas
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