: „Modell Namibia“ als Vorbild für Palästina?
■ Zur Lösung des Nahostkonflikts schlägt PLO-Chef Arafat vor, die besetzten Gebiete wie Namibia zu „entkolonialisieren“
Neu-Delhi (ips) - Vergangene Woche erhielt Yassir Arafat in Neu-Delhi den Jawaharlal-Nehru-Preis der indischen Regierung. Letztes Jahr war dieser Preis für internationale Verständigung dem Staatschef der UdSSR, Michail Gorbatschow, zugesprochen worden. In einem Exklusiv-Interview mit 'ips‘ ging Arafat auf den Baker-Plan zur Lösung der Nahostkrise ein.
„Wir haben das namibische Modell, warum sollen wir ihm nicht folgen?“ erklärte Arafat in dem Gespräch. Die Palästina-Frage sei ähnlich dem Problem Namibia unter südafrikanischer Kolonialherrschaft. Das südwestafrikanische Land war im März nach den von den Vereinten Nationen überwachten Wahlen und dem Abzug der südafrikanischen Besatzungstruppen in die Unabhängigkeit entlassen worden. Washington müsse nun Neutralität zwischen der PLO und Israel beweisen, forderte Arafat. Bis heute jedoch zeigten sich die USA nicht neutral.
Arafat schien aber ermutigt von kürzlich abgegebenen Erklärungen des US-Präsidenten George Bush und dessen Außenminister James Baker. Diese hatten signalisiert, daß Israel die Besatzung der Westbank und des Gaza-Streifens aufgeben müsse, und Tel Avivs Visionen von einem „Groß -Israel“ zurückgewiesen. Skeptisch zeigte sich Arafat jedoch über Washingtons Realpolitik. Zwischen dem nach Außenminister Baker benannten US-Plan zur Aufnahme eines Dialogs zwischen Israel und der PLO sowie früheren Vorschlägen des derzeit geschäftsführenden israelischen Premierministers Schamir bestünden kaum Unterschiede, meinte Arafat. Der palästinensische Vorschlag, zu einer „gerechten Lösung“ mit Israel zu gelangen, folge dem erfolgreichen Weg, der im Falle Namibias gegangen worden sei. Dazu zähle erstens die Einsetzung eines Ausschusses durch die Vereinten Nationen mit der Aufgabe, eine internationale Nahostkonferenz vorzubereiten. Zweitens müßten alle von Israel besetzten palästinensischen Landstriche unter Aufsicht der Vereinten Nationen gestellt und eine internationale Friedenstruppe zum „Schutz des palästinensischen Volkes“ und zur Überwachung des „Rückzuges der israelischen Streitkräfte“ stationiert werden.
Israel hat statt dessen vorgeschlagen, Wahlen in den besetzten Gebieten ohne internationale Kontrolle abzuhalten. Schamir weigert sich auch, Gespräche mit der PLO aufzunehmen. In diesem Zusammenhang zieht Arafat ebenfalls die Parallele mit Südafrika. „Israel soll sich daran erinnern, daß es immer als Zwillingsbruder Südafrikas gegolten hat.“ Nun habe die südafrikanische Regierung einen wichtigen Schritt unternommen und Nelson Mandela freigelassen. Auch Gespräche mit dem African National Congress (ANC) stünden bevor, fügte Arafat hinzu.
Rajiv Tiwari
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