: Kucan liegt vorne
■ Reformkommunist führt nach Wahl in Slowenien / Koalition zwischen Exkommunisten und Bürgerlichen im Parlament?
Ljubljana (ap'taz) - Bei den ersten freien Wahlen seit den dreißiger Jahren in Slowenien für das Amt des Präsidenten ist es keinem der vier Kandidaten gelungen, im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen zu erringen. Milan Kucan, Kandidat der ehemaligen Kommunistischen Partei Sloweniens, die sich in „Partei der demokratischen Erneuerung“ umgetauft hat, ist bei 44,45 Prozent der Stimmen gelandet. Sein wichtigster Konkurrent, der erst vor einem Jahr aus der Bundesrepublik zurückgekehrte und SPD -orientierte Jose Puznik, Kandidat des oppositionellen Wahlbündnisses Demos, kam nur auf 26,2 Prozent. Die beiden anderen Kandidaten, der unabhängige Kramberger und der Liberale Demsar erhielten 19 bzw. 10,5 Prozent. Es wird also am 22.April zu einer Stichwahl zwischen Kucan und Pucnik kommen.
Der Exkommunist Kucan steht ebenso für den Demokratisierungsprozeß in Slowenien wie für eine konsequente Interessenvertretung innerhalb der jugoslawischen Föderation. In der Zielvorstellung, einem unabhängigen Slowenien als Mitglied einer lockeren jugoslawischen Konföderation, unterscheiden sich Kucan und seine Partei nicht vom Oppositionsbündnis.
Infolge des komplizierten Wahlverfahrens zu dem mehrgliedrigen slowenischen Parlament lagen am Montag noch keine Zwischenergebnisse vor. Erste Trendmeldungen bestätigen jedoch die Umfragen, die das Demos-Bündnis mit 40 Prozent vorne sahen, gefolgt von den Reformern Kucans mit 26 Prozent und den Radikal-Liberalen mit 17 Prozent. Sollte sich dieser Trend bestätigen, so wäre eine Koalition zwischen den Exkommunisten und den bürgerlichen Parteien in Sicht. Eine solche bislang einmalige Konstellation könnte für die weitere Entwicklung der Krise innerhalb der jugoslawischen Föderation folgenreich werden. Steht doch Kucan für einen schrittweisen und vorsichtigen Prozeß der Auflösung Jugoslawiens bzw. seiner Reorganisation zu einem Staatenbund.
C.S.
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