Gegen katholischen Realitätsverlust

■ „Was schaut Ihr nach oben - Kirche lebt von unten“ - das ist das Motto des diesjährigen „Kirchentages von unten“, den es nunmehr seit genau zehn Jahren gibt / Die Amtskirche verweigert jede Zusammenarbeit und lehnt auch eine gemeinsame Diskussionsveranstaltung ab

Parallel zum offiziellen 90.Deutschen Katholikentag wird der „Kirchentag von unten“ vom 23. bis 26.Mai auf dem Spreebogen und in verschiedenen - vorwiegend evangelischen - Gemeinden stattfinden.

Einer der Initiatoren ist Prof. Greinacher, Tübingen: „Die katholische Kirche ist eine der letzten autoritären und totalitären Institutionen der Gesellschaft.“ Das ZK der deutschen Katholiken hatte eine Zusammenarbeit mit der „Kirche von unten“ für eine gemeinsame Veranstaltung abgelehnt; es sollten Themen wie konservativ-reaktionäre Bischofsernennungen, Disziplinierung unbotmäßiger Theologinnen, Politikverbot für Priester u.a. diskutiert werden.

Begründet wurde die Ablehnung damit, daß diese Themen beim offiziellen Kirchentag zur Sprache kämen. Wie diese Aussprache dann konkret aussehen wird, kann man/frau sich denken, wenn sie oder er einen Blick in das Programm wirft. Kritiker wie Drewermann werden gar nicht erst eingeladen, Homosexuelle sind für die katholische Kirche nicht diskussionswürdige Sünder, und Frauen sollten am besten nur im Kirchenchor mitsingen. Viele engagierte ChristInnen sind im Laufe der Jahre aus der Kirche ausgetreten, in die „innere Emigration“ gegangen oder stellen ihre Kirchensteuer für Projekte in der Dritten Welt zur Verfügung.

Ein Schwerpunkt der bewußt dezentral organisierten Workshops wird in diesem Jahr selbstverständlich die Frage sein, welche Folgen die Neuorientierung in Osteuropa und ein zukünftig noch stärkeres westliches Wirtschaftssystem für die sogenannte Dritte Welt haben werden.

Neben dem wachsenden Eurozentrismus wird es auch um die Probleme der jetzigen Weltwirtschaftsordnung gehen. „Ich bin Sozialist geworden, weil ich Christ bin“ (Greinacher) - auch das hört man natürlich nicht gern in der offiziellen Kirche und ist dennoch eine beinahe zwangsläufige Konsequenz, wenn das Christsein ernst gemeint ist - auch jetzt noch, nachdem das Wort in vielen Ohren nur noch Mißtöne erzeugt.

Marie Wildermann