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„Ausgrenzungsunion“ gegen Polen in West-Berlin

■ Berliner Senat will durch „Einreiseunion“ Visumpflicht für Polen einführen / Einkaufsschlangen polnischer Touristen vor Berliner Supermärkten / Antipolnische Töne werden lauter und von der CDU kräftig gefördert / AL wirft SPD Opportunismus vor

Berlin (taz) - Die Verpackung schien perfekt, über den Inhalt scheiden sich die Geister. Unter dem Etikett einer „Einreiseunion“ will der Berliner Senat abschaffen lassen, was West-Berlin bislang als offene Stadt auszeichnet: die Visumfreiheit für Besucher aus den Ostblockstaaten.

In Zukunft sollen nach Vorschlägen der rot-grünen Koalition die Einreisebedingungen von „Aachen bis Frankfurt/Oder“ vereinheitlicht werden. Dieser Vorstoß zielt vor allem auf Polen, die dann auch für die Einreise nach West-Berlin bereits an der Grenze zwischen der DDR und Polen ein Visum und gegebenenfalls Zwangsumtausch - vorweisen müßten. Die Alternative Liste hat diesen Plan als „Ausgrenzungsunion“ kritisiert und zurückgewiesen.

„No comment“ heißt es bislang bei den eigentlich Zuständigen, den Alliierten. Denn sollte es zu einer „Einreiseunion“ kommen, müßte eine alliierte Anordnung aus dem Jahr 1967 aufgehoben werden, wonach sich Besucher aus Ostblockstaaten bis zu 31 Tagen ohne Visum in West-Berlin aufhalten dürfen. Daran wolle man festhalten, hatte noch im April 1989 der Chef der Berliner Senatskanzlei, Schröder, in einem taz-Interview beteuert. „Berlin als offene Stadt darf die alliierte Anweisung nicht ändern“, erklärte Schröder damals in Reaktion auf die Bundesregierung, die gerade den Zwangsumtausch für polnische Bürger einführte.

Hintergrund der Senatsinitiative ist weniger das generelle Bedürfnis nach Einheit mit dem Bund und der DDR als der Versuch, die Einreise für polnische Touristen zu erschweren. An den Wochenenden werden auf dem „Polenmarkt“ weit über 10.000 Kleinhändler gezählt, die neben geschmuggelten Zigaretten alles verkaufen, was eine Westmark einbringen könnte: selbstgemachten Schmuck, Werkzeug, Angelzeug, Unterwäsche, russische Armeemützen und polnischen Wodka.

Ein im Juni 1989 überstürzt verkündetes Verbot des Handels hatte - abgesehen von massiven Polizeieinsätzen und entsprechend gereizten Reaktionen in Polen - nichts geändert. Der Markt verteilte sich einfach auf viele kleine Märkte über die ganze Stadt. Drei Monate später rang man sich im Berliner Rathaus schließlich dazu durch, den Vielvölkerhandel wieder auf dem Platz an der Mauer und Magnetbahn zu „dulden“.

Nicht nur die Kleinhändler, auch die polnischen Einkäufer sind zum Politikum geworden. An den Wochentagen werden vor allem Billigläden wie Aldi oder Euromarkt sowie Elektronikfachgeschäfte von polnischen Touristen überrannt. Die Schlangen vor den Supermärkten erinnern an Zeiten, als noch Begrüßungsgeld an DDR-Besucher ausgezahlt wurde. Vermeintlich und tatsächlich Betroffene, massiv gesponsert von den Berliner Christdemokraten und den „Republikanern“, befinden sich im Gründungsfieber für Bürgerinitiativen gegen polnische Touristen, gegen polnische Händler - und natürlich gegen den rot-grünen Senat.

Mit Befremden hat die polnische Militärmission auf die Senatsinitiative reagiert. Verhandlungen über visumfreien Verkehr zwischen den übrigen Osteuropäischen Ländern und gleichzeitig neue Schranken für die Polen, „das paßt nicht zuammen“, moniert Presseattache Miroslaw Stankowski. In der Inszenierung des europäischen Hauses, befürchtet er, könnte den Polen die Rolle der „schwarzen Schafe“ zugeschoben werden.

Andrea Böhme

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