Wenn die dpa 'Krasnaja Swesda‘ zitiert...

■ Das Sprachrohr der Armeehierarchie sprüht Funken gegen das Baltikum

Zum wiederholten Mal veröffentlichte 'dpa‘ Meldungen, deren Inhalt sich auf Zitate der 'Krasnaja Swesda‘ beziehen. Dabei handelt es sich im allgemeinen um scharfe Verurteilungen der Geschehnisse im Baltikum, letzthin speziell zu Litauen.

Wer von den Lesern weiß schon, welcher Art dieses zitierungswürdige Presseorgan ist? Der Untertitel verrät es: 'Der Rote Stern‘, Zentralorgan des Ministeriums für Verteidigung der UdSSR. Dieses Blatt ist also, von den Soldaten erwünscht oder nicht, in den militärischen Einrichtungen, den Kasernen des gesamten Sowjetimperiums präsent, ist Sprachrohr der Armeehierarchie.

Unternehmen Sie den Versuch, sich auszumalen, wie es einem Litauer in einer hintersibirischen Armee-Einheit ergeht, wenn 'Der Rote Stern‘ wieder heiße Funken schlägt. (Übrigens stammt die Vorschrift, daß sowjetische Soldaten ihren Wehrdienst vorzugsweise außerhalb der eigenen Unionsrepublik ableisten müssen, aus dem Jahr 1968(!)). Doch zurück in unsere Medienlandschaft. Warum werden stattdessen nicht 'Prawda‘ oder 'Iswestija‘ zitiert, die doch die Meinung einer allgemeineren, breiteren Bevölkerungsschicht repräsentieren? Bei den Journalisten ist mangels sensationeller Ereignisse die künstliche Meinungspolarisierung beliebt, wobei sie natürlich ganz bewußt die Unwissenheit des Lesers miteinkalkulieren. Diese Verfahrensweise erinnert mich fatal an die Zeiten, in denen man hier noch eifrig bemüht war, Solidarnosc kräftig zu verteufeln. Da zitierte 'adn‘ mit Vorliebe aus der polnischen Armeezeitung 'Zolnierz Wolnosci‘ (Freiheitssoldat) und versuchte glaubhaft zu machen, daß dies die Meinung der polnischen Öffentlichkeit sei. Oder anders gesagt, haben uns früher Aussagen der 'Volksarmee‘ ernsthaft berührt?

Ruth Kibelka