Über kurz oder lang?

■ So wahr mir Gott helfe!

Das seltsame Land DDR hat eine entsprechende Regierung. Sie wurde vom Volke gewählt, um sie nur möglichst kurz (er -)tragen zu müssen. Das wissen natürlich auch die neuen Minister. Normalerweise geht jede Regierung ans Werk, um ihre Macht und Position zu festigen, es nicht nur bei einer Legislaturperiode belassen zu müssen. Nicht so die unsrige. Sie hat hart zu arbeiten, um bei erfolgreichem Tun möglichst schnell wieder verschwinden zu dürfen. Sie wurde gewählt (allgemein-frei-geheim und so weiter), und hat nun keine Wahl - oder?

Ich bin mir da nicht so sicher. Es gibt ein Beharrungsvermögen der Mächtigen, das Vernunftsgründen, Versprechungen und ursprünglichen Wahlaussagen im Wege steht. Wir können ja ein Lied davon singen. Sicher, die Vorzeichen haben sich gründlich geändert, aber vom unbedeutenden Dachdecker zum Staats- und Parteichef kann man anscheinend ebenso leicht geraten wie vom unbekannten Pfarrer zum Minister. Die Umstände müssen dafür nur günstig, also chaotisch sein. Einmal im weichen Ministersessel Platz genommen, kommt man nur schwer aus eigenem Antrieb wieder daraus hervor.

Nicht nur das Gesäß paßt sich den neuen (Sitz-) Gelegenheiten an, auch weniger beanspruchte Körperpartien (Rückgrat) und Organe (Gehirn) geraten in Versuchung. In der DDR, wo fast jeder Job zukünftig infrage gestellt wird, sind auch die neuen Regierenden in unsichere Verhältnisse gesetzt. Warum sollte gerade bei ihnen der Überlebenstrieb versagen? Werden nicht auch sie die Lehnen ihrer Sitze umklammern, ständig gute Gründe findend, noch im Amt zu bleiben?

Ungelöste Probleme werden sich immer finden, die ein weiter -weiter-weiter rechtfertigen. Man muß kein Freund der schnellen Einheit sein, um solche Befürchtungen zu hegen. Ich kann mir nur schlecht vorstellen, daß Herr Ebeling fleißig darauf hin arbeitet, endlich wieder seinen Schäfchen in Leipzig vorzustehen. Gleiches scheint mir auch für die Brüder Meckel und Eppelmann fraglich. Wer einmal im Dauerscheinwerferlicht geblendet wurde, kann der noch Gefallen an romantischer Kerzenbeleuchtung finden?

Und unsere Juristen? Werden sie vielleicht nachträglich die Schilder ihrer Kanzleien werbewirksam gestalten wollen wie „Hier bedient Sie der ehemalige Minister (Parteivorsitzende, Bürgerrechtler) X-Y-ungelöst“? Wer einmal die Droge Politik tief in seine aufgeblähten Nüstern gesogen hat, dürfte abhängig geworden sein, und Entziehungskuren haben da erfahrungsgemäß wenig Erfolg. Wir werden wohl kaum die neuen Namen fürs schnelle Vergessen auswendig lernen.

Unsere Regierungsexponenten werden wohl ebensowenig schnell von der deutschen Politbühne verschwinden, um ins gutbürgerliche Leben zurückzukehren, wie es die ehrgeizigen Oppositionslehrlinge vorm Meisterbrief aufgeben werden. Richten wir uns vorsichtshalber auf eine längere Anwesenheit der Damen und Herren in unserer guten Stube ein. Notfalls kann man ja noch abschalten.

Uwe Meyer