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Wider das Vergessen

Zum Abriß des sowjetischen Ehrenmals  ■ K O M M E N T A R

Seit dem 9. November ist - jedenfalss für den Tageschronisten - eine Menge Wasser den Rubikon hinuntergeflossen. Die sich überstürzenden Ereignisse der vergangenen Monate haben aber auch dem reflektierenden Zeitzeugen die nicht immer einfache Pflicht auferlegt, die Grenzen des Rubikons, unter Berücksichtigung der Sedimentierung des historischen Gerölls, eben diese Grenzen neu zu vermessen. Und auch wenn das im Tagesgeschäft durchaus unüblich ist, soll hier ausnahmsweise einmal die ehrliche moralische Überzeugung eines Landvermessers zu Gehör gebracht werden. Mit dem österlichen Abriß des rotarmistischen Ehrenmals in der Straße des 17. Juni sind die Grenzen des Rubikons touchiert.

Erinnern wir uns. Die von der Hitler-Armee überfallenen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken schlägt diesen Überfall zurück und überwältigt die Zentrale des Terrors: Berlin. Sie baut sich, ob dieser Heldentat, ein Denkmal, und verliert die letzte Schlacht: den Kalten Krieg, der ein Krieg der Medien war. Inzwischen haben sich die Verhältnisse auch auf diesem Feld umgekehrt: Der Held aus Moskau, Michael Gorbatschow wäre ohne die Mithilfe der Medien genauso wenig denkbar wie die Helden von Leipzig. Sieger hier wie dort ist - vorläufig zumindest - die vierte Macht. Daß die Macht der Medien direkt an die der Industrie angeschlossen ist, ist eine gerne geleugnete Binsenweisheit. Dennoch: Der Abriß des sowjetischen Ehrenmals muß gerade auch von dieser Seite beleuchtet werden.

Natürlich kann man keine antiimperialistische, anti-US -amerikanische, keine Demonstration gegen den Doppel -Nulllösung-Mittelstreckenraketen-Nato-Beschluß reinen Herzens gutheißen, ohne die Frage nach dem Charakter der Roten Armee anzuschneiden. Unbestreitbar ist schließlich: Es gibt Rüstungsstrategen hüben und Rüstungsstrategen drüben. Und wenn die Sowjets ihr gesamtes Geschichtsbild einer antifaschistischen Streitmacht dem Public-Relations -Interessen eines Baumultis wie Holzmann opfern, ist es höchste Zeit, die eigene Postiion gegenüber medialen, und damit wirklichen Ereignisproduzenten in Frage zu stellen. Unsere Aufgabe wird also jetzt sein müssen, dem Prozeß der Geschichtsumschreibung entgegenzusteuern. Und so werden wir das Spektakel eines barbarischen Denkmalabrisses nicht auch noch durch unsere Anwesenheit ehren.

A. Modern

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