Schnelljustiz gegen Polenmarkt

■ Rot-grüner Senat in Berlin führt Schnellgerichte für die illegalen polnischen Kleinhändler ein / Neues Verfahren blieb jedoch wegen Handelsflaute am Karfreitag noch ungenutzt

Berlin (taz) - Das von der Berliner Innen- und Justizverwaltung am Donnerstag angekündigte „Schnellgerichtsverfahren“ für illegale HändlerInnen auf dem „Polenmarkt“ im Bezirk Tiergarten lief am gestrigen Karfreitag vorerst ins Leere. Wegen des hohen katholischen Feiertags herrschte große Kleinhandelsflaute: Auf dem vom Senat bereitgestellten Freigelände am Potsdamer Platz verloren sich nur rund 1.500 HändlerInnen. Das ist etwa ein Zehntel des an den letzten Wochenenden registrierten Andrangs, als die Polizei jeweils rund 8.000 polnische Pkws und einige hundert Busse zählte.

Bis zum Nachmittag hatte die Polizei noch keine HändlerIn dem neuen Verfahren zugeführt, das nach Auskunft von Polizei und Justiz vor allem für „gewerbs- und berufsmäßig Handelnde“ und „bereits rechtskräftig ausgewiesene Händler“ gedacht ist.

Bislang waren ertappte illegale HändlerInnen aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern ohne Gerichtsverfahren kurz nach ihrer Festnahme und der Beschlagnahme ihrer Waren ausgewiesen worden. Sie erhielten einen Sichtvermerk im Reisepaß, der ihnen für ein Jahr eine erneute Einreise in die Stadt untersagte. Die anhängigen Strafverfahren stellte die Berliner Staatsanwaltschaft nach der Ausweisung jeweils ein, da es mit den Ex-Volksrepubliken des Ostblocks noch keine Rechtshilfeabkommen gibt. Ein befristetes Einreiseverbot soll auch weiterhin verhängt werden.

Der „Polenmarkt“ am Potsdamer Platz ist mit der in den letzten Wochen steigenden Zahl einreisender PolInnen wieder in die Diskussion geraten. Die Oppositionsparteien CDU und „Republikaner“ sowie eine unlängst von AnwohnerInnen des Geländes gegründete „Bürgerinitiative gegen den Polenmarkt“ machen gegen die KleinhändlerInnen mobil. Der Senat hatte in der letzten Woche mit dem Argument „Rechtseinheit mit dem Bund“ eine „Einreiseunion“ gefordert, die quasi eine Visumpflicht für nach West-Berlin einreisende PolInnen bedeutet, wie sie auch für die BRD gilt. Die Alliierten lehnen eine „Union“ allerdings bisher ab.

kotte