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Chevenement schreckt weiter ab

■ Frankreich sieht keinen Grund, von seiner Atomstrategie abzurücken / Bis 1992 keine Verringerung der Rüstungsausgaben / Waffenschmieden sollen umrüsten: Produktion vor allem für den Export

Paris (taz) - Allem Tauwetter zum Trotz wird Frankreich an seiner Abschreckungsdoktrin und seinem Rüstungsprogramm festhalten. Verteidigungsminister Chevenement hält es für „wahrscheinlich“, daß die Sowjetunion ihre Truppen aus der DDR abzieht, ohne daß Nato-Einheiten an ihre Stelle treten: „In diesem Kontext muß Frankreich die Glaubwürdigkeit seiner Abschreckung und die Beweglichkeit seiner Truppen betonen. Die UdSSR ihrerseits muß die französische Doktrin der nuklearen Abschreckung akzeptieren“, erklärte der Minister am Mittwoch.

Auch an eine Reduzierung der Rüstungsausgaben sei vor 1992 nicht zu denken. So wird Frankreichs Verteidigungshaushalt auch 1991 wie geplant um 4 Prozent auf 107,2 Milliarden Franc ansteigen (knapp 30 Milliarden DM, darin nicht enthalten sind die laufenden Kosten für die Armee).

Mit seinen tapferen Worten möchte der Minister über die Identitätsprobleme hinwegtäuschen, denen sich Frankreichs Militärdoktrin mangels des althergebrachten Feindbilds im Osten gegenüber sieht. Auch wenn Chevenement eine Integration Frankreichs in die Nato erneut ausschloß, so wird im Ministerium intensiv an Überlegungen einer schrittweisen Integration in eine „neue Nato“ und/oder ein westeuropäisches Sicherheitssystem gearbeitet.

Eine Möglichkeit, mit der de Gaulleschen Bombe zu leben, wurde kürzlich auf einem Pariser Kolloquium skizziert: Integration der konventionellen Streitkräfte Frankreichs und vorläufige Beibehaltung der nationalen atomaren Abschreckung.

Vor allem aber geht es Chevenement darum, der französischen Rüstungsindustrie mit ihren 280.000 Beschäftigten Zeit zu geben, sich auf die neuen Realitäten einzustellen. Die Waffenexport-Aufträge sind 1989 in Ermangelung neuer Krisenherde um 16 Milliarden Franc zurückgegangen. Ein Strategiepapier des Außenministeriums forderte deshalb Anfang März eine völlige Revolutionierung der Waffenindustrie. Frankreich müsse von einer flächendeckenden Rüstungsproduktion auf eine Spezialisierung in High-Tech -Waffen umschalten sowie sich in Erwartung sinkender Verteidigungshaushalte auf den Export und die Kooperation mit ausländischen Rüstungsbetrieben konzentrieren.

Erst letzte Woche war bei dem Paris-Besuch des britischen Verteidigungsministers Tom King eine „ernsthafte Prüfung“ einer anglo-französischen Kooperation beim Bau einer nuklearen Boden-Luft-Rakete beschlossen worden.

smo

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