piwik no script img

T-55-Panzer wird ein Feuerlöscher

■ Die Sowjetunion veranstaltet in München eine Messe, um ihre Rüstungskonversion hin zu ziviler Produktion vorzustellen / Raumfahrten im Angebot / Tauchgeräte und chirurgische Apparate vorgestellt

München (dpa) - Die sowjetische Rüstungsindustrie stellt ihre Strategie zur verstärkten Zivilproduktion erstmals im Westen zur Schau. Auf der Fachausstellung Conversion 90 auf dem Münchner Messegelände sucht sie Kontakte zu westlichen Firmen, um ihre Zivilprodukte zu vermarkten und möglicherweise mit ihnen auf diesem Sektor zusammenzuarbeiten. Dazu stellen vom 20. bis 25. April 300 Rüstungsbetriebe der UdSSR über 1.200 Exponate der Fachwelt und der interessierten Öffentlichkeit vor. Veranstaltet wird die Show von der Industrie- und Handelskammer der UdSSR.

Die Palette der Exponate reicht vom Panzerfahrwerk, das künftig bei Feuerlöschfahrzeugen oder Schleppern zum Einsatz kommt, über Weltneuheiten in der Medizintechnik, keramische Werkstoffe, Raketentechnologien, bis hin zum Tennisschläger aus Kunststoff. Ultraschallgeräte werden zur Entfernung bösartiger Geschwulste medizinisch eingesetzt, Militärflugzeuge zu Geschäftsflugzeugen umgerüstet.

Die Sowjetunion entdeckt die Kapazitäten ihres hochtechnologisierten Rüstungssektors als potentiell durchaus weltmarktfähigen Exportfaktor. Zu den auffälligsten Ausstellungsstücken zählen Modelle von Raketenträgern, den Satelliten „Granat“ und „Kosmos-1500“ sowie der Raumstation „Mir“. Die UdSSR will dazu übergehen, Raketenträger für friedliche Zwecke zu verkaufen und Nachrichtensatelliten westlicher Auftraggeber in den Weltraum zu befördern angesichts etlicher Pannen westlicher Trägersysteme daraus sich ergebender Transportengpässe ist hier der Erfolg nicht ausgeschlossen. Die Schiffbauindustrie stellt auf der Conversion 90 sowohl bemannte als auch ferngesteuerte Tauchapparate vor, die bis zu 6.000 Meter Meerestiefe vordringen können. Als Weltneuheit werden diverse medizinische Geräte zur Krebsdiagnose und -bekämpfung, zur Diagnose von Herzkrankheiten sowie chirurgische Instrumente aus Titan vorgestellt.

Nach Angaben der Veranstalter hat das Ministerium für Verteidigungsindustrie „sein friedliches Debut“ mit dem Umbau des Panzers T-55 zu einem Feuerlöschfahrzeug begonnen. Teile der nach den Abrüstungsverträgen vernichteten SS-23 -Raketen werden heute für die Untersuchung der Atmosphäre eingesetzt.

Für die sowjetische Rüstungsindustrie mit wie verlautete „mehreren Millionen“ Beschäftigten, wird derzeit auf Initiative des sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow ein Fünfjahresplan zum Ausbau der Zivilanteils erarbeitet. Schon bisher stellte die sowjetische Rüstungsindustrie - bei einem Verteidigungshaushalt von über 70 Milliarden Rubel - nicht nur militärische, sondern auch zivile Produkte her. Ziel sei, bis 1995 durch Konversion (Umstellung) den Zivilanteil der Rüstungsindustrie von derzeit 50 auf 60 Prozent zu steigern, sagte Vladimir Bukatow, Leiter der sowjetischen Delegation und stellvertretender Vorsitzender der Staatskommission des Ministerrates der UdSSR am Mittwoch in München. Vor zwei Jahren habe der Zivilanteil der Rüstungsbetriebe noch bei 40 Prozent gelegen.

Exportstruktur knacken

Die Ausstellung sei auch ein Beitrag zum Ausbau der Handelsbeziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik, sagte Bukatow. Dabei sieht die UdSSR nebenbei auch die Chance, ihre einseitige Exportstruktur zu knacken, die bislang alle Anzeichen derjenigen von Drittweltländern trägt. Von den sowjetischen Exporten in die Bundesrepublik von sechs Milliarden DM entfallen erst drei Prozent auf Maschinen- und Ausrüstungen. 80 Prozent seien Rohstoffe.

Die Fachausstellung wird durch ein wissenschaftlich -technologisches Seminar ergänzt. Beteiligt daran sind neben den acht an der Rüstungswirtschaft beteiligten sowjetischen Ministerien das Londoner Institut für Strategische Studien, das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI, die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und Wissenschaftler aus der Bundesrepublik, den USA und der Sowjetunion.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen