Die Temperatur steigt, das Klima wird frostig

■ Auf der zweitägigen Klimakonferenz in Washington setzten die Europäer die USA unter Druck / Von Silvia Sanides

Die Hinweise für eine Erwärmung des Klimas auf unserem Planeten sind nicht mehr zu leugnen. Auf diese Feststellung konnten sich die Teilnehmer der Klimakonferenz in der US -Hauptstadt gerade noch einigen. George Bush, selbsternannter „Umweltpräsident“, hatte geladen - und Umweltminister und Wissenschaftler kamen. Die europäischen Teilnehmer - unter ihnen Klaus Töpfer - ließen sich diesmal nicht mit der Aussicht auf weitere Forschungsvorhaben vertrösten. Sie fordern Taten. Und genau die möchte die US -Administration mit Blick auf die Konkurrenzfähigkeit ihrer Wirtschaft verhindern.

Bundesumweltminister Klaus Töpfer feierte eine „Premiere“: Zum ersten Mal seien sich europäische Delegierte einig gewesen, freute er sich auf der Pressekonferenz in Washington, immerhin eine „neue Erfahrung“. Töpfer und weitere Delegierte aus sechs europäischen Ländern nahmen auf Einladung von US-Präsident Bush an einer „Globalen Klimakonferenz“ in der amerikanischen Hauptstadt teil. Einigkeit herrschte, dies sagte Töpfer nicht, wohl vor allem, weil die Europäer während der Tagung einen gemeinsamen Gegner im Visier hatten: ihren Gastgeber.

Die Amerikaner hatten den Konferenzverlauf so geplant, daß der Standpunkt der Bush-Administration zwangsläufig dominieren mußte: Bis auf wenige Ausnahmen sprachen nur amerikanische Regierungsmitglieder auf den Plenarsitzungen, die Workshops waren für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Und die Berichte über den Verlauf der Workshops wurden ohne Rücksprache mit den Teilnehmern - ausnahmslos von US -Delegierten vorgetragen. Kein Wunder also, daß sich die ausländischen Teilnehmer mit ihren Protesten direkt an die Presse wandten: „Wir haben das Gefühl, nur eingeladen zu sein, um zuzuhören“, erklärte zum Beispiel der französische Umweltminister Brice Lalonde, der die Konferenz bereits am Dienstag abend wieder verließ.

Und was sich die Delegierten anhören mußten, versetzte selbst konservativste europäische Regierungsbeamte zuweilen in Erstaunen. Daß Präsident Bush vom Kampf gegen die Klimaerwärmung nichts hält, ist spätestens seit vergangenem Jahr bekannt, als die USA zusammen mit Japan und der Sowjetunion erste Versuche, die Emission des Treibhausgases Kohlendioxid zu reduzieren, torpedierte. Aber auf die Bemerkungen des Wirtschaftsberaters des Präsidenten Michael Boskin war man dann doch nicht gefaßt. Es sei eventuell wirtschaftlich sinnvoller, deutete Boskin in seiner Ansprache an, sich an die Folgen der Klimaerwärmung anzupassen: „Wir wissen, daß der größte Teil des wirtschaftlichen Lebens der Erde, auf jeden Fall weit über 90 Prozent, nicht direkt von einem der vieldiskutierten Klimaänderungs-Szenarien berührt würde. Immerhin kann man Autos genauso wirksam in warmen wie im kalten Wetter produzieren.“

Primat der Wirtschaft

vor der Umwelt

Auffallend geschlossen zeigte sich die Front der US -Delegierten. Sie riefen dazu auf, wissenschaftliche Unklarheiten über die Klimaerwärmung aus dem Weg zu räumen, und warnten vor den wirtschaftlichen Nachteilen strengerer Umweltschutzauflagen. „Fakten brauchen wir“, so der „Umweltpräsident“ in seiner Begrüßungsrede, „wissenschaftliche Fakten“. Die Bush-Regierung hatte ihre Delegierten offensichtlich an der kurzen Leine. Dies verdeutlichte ein Papier, das Vertretern der Umweltorganisation „Sierra Club“ zugespielt wurde. Das an alle an der Konferenz teilnehmenden Kabinettsmitglieder verteilte Papier enthielt Anleitungen zur Gesprächsführung in den Workshops. Unter dem Punkt „Debatten, die es zu verhindern gilt“, heißt es dort: „Es ist von Nachteil, darüber zu diskutieren, ob eine Erwärmung stattfindet oder nicht stattfindet oder ob es sich um viel oder wenig Erwärmung handelt. In den Augen der Öffentlichkeit verlieren wir diese Debatte. Eine bessere Strategie ist, auf die vielen Unsicherheiten auf diesem Gebiet hinzuweisen, die besser verstanden werden müssen.“

Schadenfreude

bei US-Umweltgruppen

Auch für die Delegierten anderer Länder hatte die Bush -Administration ein Papier verfaßt, das der Welt schöne Eintracht vorspiegeln sollte. Sie verteilte an die erstaunten Delegierten eine „Charter for Cooperation“ (Kooperationsentwurf), die auf der „Mehr Forschung, bloß keine Taten„-Position der Regierung basierte. So ungehalten protestierten dagegen die europäischen Delegierten, daß die „Charter“ in Minutenschnelle wieder vom Tisch verschwand. Umweltminister Töpfer kuschte dann am Ende dennoch: Zum Schluß sei alles „fair“ verlaufen, meinte er gegenüber der Presse, während Piet Vellinga, der Leiter des niederländischen „Nationalen Klimaprogramms“, seinem Ärger offen Luft machte: „Die Vereinigten Staaten haben öffentlich versucht, die Ernsthaftigkeit der Europäischen Gemeinschaft in Frage zu stellen. Der Schuß ist aber nach hinten losgegangen. Wir Europäer sind zu einer wichtigen Wirtschaftsmacht geworden. Und es ist naiv, die Integrität einer wichtigen Macht herauszufordern.“

Über das Bushsche Eigentor sind besonders die Gegner des Präsidenten im eigenen Land erfreut. Dan Becker von der Umweltorganisation „Sierra Club“ ist davon überzeugt, daß der Druck der Europäer die Bush-Administration zum Umdenken zwingen kann. „Wir haben in den Europäern Verbündete gefunden“, so Becker gegenüber der taz, „und können nur auf weitere gute Zusammenarbeit hoffen.“

Entsprechend zeigte sich Präsident Bush in seiner Abschiedsrede an die Delegierten auffallend moderat: „Wir müssen Lösungen finden ohne übermäßige Hitze in der Politik. Es geht nicht um die Frage“, beschwichtigte er, „ob man die Forschung der konkreten Aktion gegenüberstellen sollte. Wir haben Forschung niemals als Ersatz für Taten angesehen.“ Zwei Tage lang hatte sich das allerdings ganz anders angehört.