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Der Deal mit den Pankower Stasi-Villen

■ Streng vertraulicher Beschluß der Modrow-Regierung: Alte Nomenklatur-Kader können sich ihre Dienstvilla kaufen / Auch Markus Meckel bekam billig neue Villa angeboten / Der alte Stasi-Verwalter will das Volkseigentum in eine kommerzielle GmbH umwandeln

„Dieser ganze Häusermist stinkt mich an, ich habe keine Lust, daß man mich verantwortlich macht für die Mauscheleien anderer“, entfuhr es dem Leiter des Ministerratsbüros von Hans Modrow, Staatssekretär Dr. Möbis. Seit wenigen Tagen hat Möbis seine Ruhe - er wurde in Rente geschickt. Der „Häusermist“ aber bleibt. Einige dutzend DemonstrantInnen kamen am Samstag ins Pankower Nobelviertel am Majakowski -Ring, um gegen den Dumping-Verkauf von Villen an alte Nomenklaturkader und neue Wende-Prominente zu protestieren. Pikanter Hintergrund der Affaire: Es handelt sich bei den Objekten zwar offiziell um Besitztümer der „Versorgungseinrichtung des Ministerrates“ (VEM), aber diese VEM wurde im SED-Staat vom Ministerium für Staatssicherheit kontrolliert. (siehe unten: „Wenn Stasi-Leute die Auflösung von Stasi-Objekten leiten...“)

Geleitet wird die für die Stasi interessante Abteilung Recht und Grundstücksverkehr von dem Stasi-Offizier im besonderen Einsatz (OibE), Jürgen Erdmann. Selbst als einfache Mitarbeiterinnen des OibE kommen laut einer Mielke -Anordnung von 1986 nur Ehefrauen von Stasi-Mitarbeitern in Frage. Vom Majakowskiring aus leitet Erdmann die Vergabe der Stasi-Villen an alte Nomenklaturkader und versucht, sich der neuen durch großzügige Villen-Angebote zu versichern...

Wer von den alten Nomenklatur-Kadern da billig zur Miete wohnt und somit die Chance hat, eines der Schmuckstücke am Majakowskiring und anderswo zu erwerben, ist bekannt: Dr. Sorgenicht, Dr. Toeplitz, Dr. Heusinger, Benjamin, Ulbricht, Verner, Streit... usw. lauten die Namen auf der Objekte -Liste des MfS. Aber nicht nur der Übergangs-Generalsekretär Egon Krenz hat am Majakowskiring 9 eine moderne Villa zu dem bescheidenen Preis von 250.000 Mark der DDR erstehen dürfen. Auch die Ministerin Christa Luft, die am 19. 1. 1990 dem gebeutelten Volk ein Stückchen Volkseigentum versprochen hatte, wohnt inzwischen in einem schicken Einfamilienhaus in der Radenzerstraße.

Auch an die Nachfolger der alten Nomenklaturkader wird gedacht, Begünstigungen verpflichten: Dem Ministerpräsidenten de Maiziere wurde ein Objekt angeboten, er sollte in Pankow wählen zwischen dem Otto-Grotewohl -Gästehaus, dem Wilhelm-Pieck-Haus des Verbandes Bildender Künstler und einem Schmuckstück in der Stillestr. 1-5. Außenminister Markus Meckel bekam zwei Angebote in Berlin -Karow. Das eine in der Straße 48, Nr. 54, lehnte er auf Rat der Freunde ab, das hochkarätige Stasi-Haus hat des Guten zuviel: drei Garagen, zwei Bäder, eine Sauna. Das andere Objekt in der Rubländer Sraße 10/11, ein Doppelgrundstück mit Teich, sollte Meckel für Ganze 47.500 Mark zum Kauf aufgedrängt werden, wie eine Erdmann-Mitarbeiterin ausplauderte. Meckel wollte es erst einmal mieten und willigte am 1. 4. 1990 ein.

Der Runde Tisch Berlin hatte am 30. 1. - einem Antrag von „Demokratie jetzt“ folgend, sagt Möbis triumphierend schriftlich die Bitte an den damaligen Ministerpräsidenten Modrow gerichtet, 36 repräsentative Regierungsvillen für die Mitglieder der zukünftigen Regierung vorzuhalten. Im März hatte der SPD-Parteivorstand bei Staatssekretär Dr. Möbis die Bereitstellung von akzeptablen Wohnhäusern für leitende SPD-Funktionäre beantragt. Meckel am 19. April, als das Bürgerkomitee vom Häuser-Schacher Wind bekommen hatte und die taz nachfragte: „Was ich brauchte, und damals war an einen Ministerposten noch gar nicht zu denken, war ein Haus mit mindestens 7 Zimmern und einem großen Raum für die Keramik-Werkstatt meiner Frau. Alles sollte auf Mietbasis laufen. Von einem Kaufvertrag und einem Kaufpreis weiß ich nichts. Aber wenn es möglich wäre, würde ich mich auch über den Widerstand der Bürgerkomitees hinwegsetzen und das Ding kaufen - allerdings nicht zu so einem Dumpingpreis.“

Seit Monaten versuchen Vertreter des Runden Tisches und des Bürgerforums, den Ausverkauf dieses Stückchens Volkseigentum zu verhindern. Am 26. 3. 1990 lief das Faß über: Auf einem Treffen mit dem Berliner Bürgermeister Hartenhauer, dem Stadtbezirksbürgermeister von Pankow und anderen kommunalen Vertretern wird gegen den Leiter der Abteilung Recht und Grundstücksverkehr des VEM, Erdmann, Strafanzeige wegen des Verdachts der Veruntreuung von Volkseigentum gestellt.

Aber Erdmann wird sich auf Rechtsgrundlagen berufen können. Am 14. Dezember 1989 schon hatte die Regierung Modrow einen „Beschluß über den Verkauf von Häusern, die sich in der Rechtsträgerschaft der ehemaligen VEM befinden“, gefaßt. Dieser Beschluß wurde nie veröffentlicht und war mit dem Vermerk versehen: „Dieser Beschluß ist nach Realisierung zu vernichten, die Archivierung erfolgt durch den Herausgeber.“ Darin heißt es deutlich, „alle“ Einfamilienhäuser der VEM seien nach dem 1973er Gesetz zum Verkauf volkseigener Eigenheime zu verkaufen. Das bedeutet: zu einem für die anbrechenden neuen Zeiten lächerlichen Tax-Preis. Modrow wollte seinem Büro die Entscheidung vorbehalten: „Der Leiter des Sekretariats des Ministerrates entscheidet, welchen Bewohnern die Einfamilienhäuser zum Kauf angeboten werden.“

Gegenüber der taz stritt Möbis jegliche Zuständigkeit ab. Der geheime Ministerrats-Beschluß sei aufgrund des Protestes des Runden Tisches zurückgenommen worden. Tatsächlich scheint aber der Offizier im besonderen Einsatz, Erdmann, seit dem Dezember den Verkauf der Stasi-Villen zügig vorbereitet zu haben. Egon Krenz hat seinen Bungalow immerhin am 20. 2. erworben, trotz massiven Protestes der Bevölkerung. Der Hinweis, daß die Stimmung der Leute auf der Straße den Verkauf des Krenz-Hauses erschwere, findet sich auch auf dem Tisch des Dr. Möbis. Erdmann kann den Verkaufs -Vorgang damit rechtfertigen, daß der Finanzminister Siegert den Verkauf genehmigt und der inzwischen abgesetzte Stadtbezirksbürgermeister von Pankow, Hauser, die Unbedenklichkeitserklärung unterschrieben habe. Aber Möbis ist auch zuständig nach dem Gesetz vom 7. 3. 1990 über den Verkauf volkseigener Gebäude, nach dem der Verkauf durch den jeweiligen Rechtsträger der volkseigenen Gebäude erfolgt im Falle VEM der Ministerrat.

Vorbei ist nach diesem Gesetz das von den Runden Tischen beanspruchte Mitspracherecht der örtlichen Räte. So wurden in Berlin-Pankow die Häuser, die dem Bezirk zur Nutzung „zum Nulltarif“ übergeben worden waren, „zurückgeholt“, wie Erdmann das ausdrückt. Denn in diesem Gesetz wird als Verkaufspreis der Wiederbeschaffungspreis angegeben - waren Häuser vorher eine Last, zu deren Erwerb auch der geringfügige Taxpreis kaum verführen konnte, werden sie bzw. ihr Verkauf nun zur Lust. In derselben Konsequenz liegt es, wenn am 30. Juni die VEM in einen kommerziellen Betrieb umgewandelt werden soll.

Möbis ist über die Nachfragen nach den VEM-Objekten verärgert. „Alles dreht sich nur um diese verdammten VEM -Häuser, und keiner schert sich darum, daß auch die anderen längst verkaufen. Zum Beispiel das Ministerium des Inneren.“

Alte SED-Leute denken

wie die CDU

Nachfolger des Leiters des Sekretariats des Ministerrates in Sachen VEM ist Herr Eckstein (CDU). Stellvertreter des neuen Mannes ist ein alter: Dr. Behrends, seit Jahren auf diesem Posten und Kenner der Szene. Der will die Residenz Niederschönhausen am 30. 6. in eine Hotel-GmbH umwandeln. Der Leiter der gastronomischen Einrichtungen des Ministerrates, Richter, spekuliert auf den Hotel-Chefposten. Auch er ist seit Jahren dabei. Richter über Erdmann: „Sauber unbestechlich, von vielen zu Unrecht angezweifelt. Einer, der sich abrackert und nur Undank erntet. Erdmann ist absolut unser Mann.“

In dem ehemaligen Leiter der „Abteilung Analyse der Beschlußdurchführung des Ministerrates“, Hegewald, hat Erdmann auch eine Stütze. Hegewald ist geblieben als Mitarbeiter des Ministerpräsidenten de Maiziere und sagt zu der Nutzung der VEM-Objekte auf Nachfrage der taz in einer Mischung alter SED- und neuer CDU-Staats-Gesinnung: „Die Beschlüsse des Runden Tisches sind zum Glück, das muß mal deutlich gesagt werden, nichts weiter als bloße Empfehlungen. Sie besaßen und besitzen keine Rechtskraft, im Gegenteil, sie waren ein Hemmschuh in der Entwicklung. Das betrifft auch den Beschluß, VEM-Häuser den Kommunen zu übergeben bzw. diese bei der Vergabe, dem Verkauf mitreden zu lassen. Im Immobiliengeschäft gelten andere Spielregeln. Das ist die knallharte Wahrheit. Man könnte Erdmann mit ruhigem Gewissen als unseren Immobilienmakler bezeichnen...“

Der VEM-Abteilungsleiter Erdmann erklärt, es seien seit dem Dezember 1989 keine Stasi-Objekte verkauft worden. „Der Mann lügt“, gibt sich Wolfram Blaffart vom Bürgerforum überzeugt. Er geht davon aus, daß praktisch alle Stasi-Objekte vergeben sind. Immerhin hat der zuständige Stadtrat für Wohnungspolitik in Pankow 30-40 Unbedenklichkeitserklärungen für Kaufgesuche unterschrieben. Erdmann selbst hat einmal stolz mitgeteilt, er habe die Kaufverträge in der Schublade. Notar-Termine waren angesetzt. Ins Grundbuch eingetragen ist bisher erst Krenz.

Der neue Bürgermeister von Pankow, Buch-Petersen, fühlt sich und seine Bürger von einer Mafia ausgetrickst. Ganze fünf VEM-Gebäude (von insgesamt 140 allein in Pankow!) sind ihm geblieben.

Gabriele Kleiner/kw

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