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Frühling auf dem Potsdamer Platz verboten

■ Der Magistrat von Ost-Berlin erteilte keine Genehmigung für das Fest „Frühling 90“ auf dem Potsdamer Platz / Auch auf dem Lenne-Dreieck darf die Veranstaltung laut Tiergartener Bezirksamt nicht stattfinden / Begründung: Munitionssuche noch nicht abgeschlossen

Muß man inzwischen „Pink Floyd“ oder „Zirkus Fliegenpilz“ heißen, wenn man auf dem Potsdamer Platz oder dem Lenne -Dreieck ein Fest veranstalten will? Diese Frage stellte sich gestern die Ost-West-Initiativgruppe „Berliner Frühling 90“, die zwischen dem 26. und 30. April auf der großen Brachfläche am Potsdamer Platz ein Festival geplant hat, dafür aber keine Genehmigung bekam.

Die Nutzung des Potsdamer Platzes wurde von der Verwaltung des Ostberliner Magistrats mit der Begründung untersagt, das Frühlingsfest stelle eine „unzumutbare Konzentration von Veranstaltungen im Stadtzentrum“ dar. Außerdem sei die Munitionsbergung in diesem Gebiet noch nicht abgeschlosen. Der Alternativstandort Lenne-Dreieck kommt laut Westberliner Bezirksamt Tiergarten nicht in Frage, weil es von den Zirkus - und Esplanadebesuchern als Parkplatz benötigt werde. Als weitere Begründung wurde vom Bezirksamt angeführt, daß der alte Mauerstreifen - auf dem täglich Hunderte von Spaziergängern entlangflaniern - noch nicht nach Munition abgesucht und die Kellerschächte noch nicht gesichert seien.

Das „Frühling 90„-Festival wurde von einer buntgemischten Gruppe Ost- und Westberliner Aktivisten geplant. Dabei sind unter anderem das Westberliner Cafe Schlüpper und die Ostberliner Umweltbibliothek. Auf einer Pressekonferenz auf dem Potsfdamer Platz berichteten sie gestern, daß sie das „Unbehagen über die Annektion der DDR“ und die Frage „was wird aus dem Mauerstreifen“ zusammengeführt hat. Mit dem Festival soll eine neue „Berlin-Diskussion“ eröffnet werden. Auf dem Programm des fünftägigen Festivals stehen 20 Veranstaltungen zur Wohnungs- und Arbeitslosigkeit, dem Erhalt des Mauerstreifens als Grünfläche, Entmilitarisierung, Anti-Apartheidskampf, tropischer Regenwald. Über 40 ReferentInnen hätte ihre Teilnahme zugesagt, der Zukunftsforscher Robert Jungk werde zum Beispiel am 30. April die Zukunftswerkstatt „2001“ leiten. Die Festinitiatoren haben in ganz Europa - von Moskau über Polen bis nach Spanien - über 500 Einladungen verschickt und rechnen pro Tag mit über 2.000 Besuchern. Für die musikalische Unterhaltung sollen die Ostberliner Bands „Herbst in Peking“, „The Fate“, „Die Firma“, und „Ich -Funktion„“ sorgen, aber auch Bands aus Schweden und Frankreich werden spielen.

Das Festival wird von dem Wesdtberliner Alternativradio 100 sowie den Stadtteilzeitungen Zitty, tip und der Wochenzeitung „Volkszeitung“ unterstützt. Das Bildungswerk für Demokratie und Umweltschutz, der Verein zur Förderung von Selbsthilfeorganisationen „Netzwerk“ und der Studentenausschuß der Technischen Universität haben sich an der Finanzierung beteiligt. Die Veranstaltungen sollen kein Geld kosten, Alkohol wird nicht ausgeschenkt. Die Festinitiatoren hoffen immer noch darauf, daß sie das große Veranstaltungszelt auf dem Potsdamer Platz oder dem Lenne -Dreieck aufbauen können: Schließlich seien die Plakate mit dem Potsdamer Platz als Standort bereits geklebt und die Einladung raus. So gesehen habe man gar keine andere Wahl, als sich an diesem Ort am 26. April zu treffen.

plu

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