: Joint-Venture-Gesetz „sehr schnell“ weg
■ Wirtschaftsminister Gerhard Pohl: BRDler können sich dann zu 100 Prozent einkaufen / Vorkaufsrecht für DDR-Bürger / Betriebsdirektorenposten werden neu ausgeschrieben / Modell für Belegschaftsbeteiligung
Berlin (taz) - Die DDR-Regierung ist jetzt offenbar bereit, die Forderungen nach Rückzug des Gesetzes über Joint Ventures zu erfüllen. Bundesdeutsche Unternehmen, die sich in der DDR einkaufen wollen, aber auch konkurrenzunfähige DDR-Betriebe, die auf Unterstützung finanzkräftiger westlicher Partner beim Umbau hoffen, hatten in den vergangenen Monaten Kritik an den Beschränkungen für Gemeinschaftsunternehmen geäußert, die noch während der Regierung Modrow in Kraft getreten waren.
Wirtschaftminister Gerhard Pohl (CDU) erklärte der 'Bild' -Zeitung für ihre heutige Ausgabe, daß man gedenke, das Gesetz „sehr schnell“ zurückzuziehen. Insbesondere die Regelung, daß ausländische Unternehmen nur 49 Prozent des Kapitals von DDR-Firmen übernehmen dürften, aber auch die Unmöglichkeit, Eigentumstitel an Grund und Boden zu erwerben, waren Hauptpunkte der Kritik und wurden als Hinderungsgründe für mehr westliche Investitionen in der DDR angeführt. Mit der Aufhebung des Gesetzes, so Pohl, werde der Weg frei gemacht für Bundesbürger, sich zu 100 Prozent in der DDR einzukaufen. DDR-Bürger hätten allerdings Vorkaufsrecht.
Faktischer Eigentümer der Betriebsstätten ist nach wie vor die Regierung de Maiziere, an der es nun liegt, die Investitionsströme in vernünftige Bahnen zu lenken. Ihre Eigentumstitel werden von der kürzlich eingerichteten „Treuhandanstalt“ verwaltet, die die Umwandlung in Kapitalgesellschaften bzw. deren Veräußerung abwickelt. Seit Mittwoch vergangener Woche arbeitet im Haus der Ministerien auch das „Amt für Wettbewerbsbeschränkung“. Nach dem - noch nicht verabschiedeten - Wettbewerbsgesetz soll es in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium die Entwicklung marktbeherrschender Strukturen im Zuge von Unternehmenszusammenschlüssen verhindern. Weder nach westdeutschem noch nach DDR-Kartellgesetz gibt es jedoch bislang eine Möglichkeit, bei Fusionen sich anbahnende spätere marktbeherrschende Stellungen in einem gemeinsamen Wirtschaftsgebiet als Untersagungsgrund zu berücksichtigen.
Pohl kündigte darüberhinaus noch zwei weitere Initiativen an. So sollen alle Betriebsdirektorenposten der VEBs neu ausgeschrieben werden, so daß alle Chefs, die durch die Partei ihren Posten erhalten hätten, danach bald verschwänden. Außerdem hätte seine Regierung ein Modell entwickelt, wonach sich jeder Beschäftigte in seinen Betrieb einkaufen könne. Der Kaufpreis hänge von der Betriebszugehörigkeit ab. Außerdem wird für rückkehrwillige BRD-Übersiedler eine Art „Wiederkehrprämie“ in Aussicht gestellt. Der Minister erwartet 200.000 Arbeitslose, was notfalls auch hingenommen werden müsse, er wolle andererseits 500.000 neue Arbeitsplätze schaffen.
ulk
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