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Bundesdeutsche nicht mehr Weltmeister im Reisen

■ Bundesbankbericht: Auf deutsche Auslandsanlagen von 1.200 Milliarden Mark 77 Milliarden Zinsen kassiert / Beim Auslandsurlaub aus Umwelt- und Preisgründen „gewisse Sättigungsgrenze“ erreicht

Frankfurt (ap) - Hohe Preise und Umweltbelastungen verleiden immer mehr Bundesbürgern die Lust an Auslandsreisen. Die Deutsche Bundesbank erklärte in ihrem Monatsbericht April, die einstigen Reiseweltmeister seien offenbar an „eine gewisse Sättigungsgrenze“ gelangt und inzwischen von den Japanern überholt worden. Als Grund nannten die Frankfurter Fachleute, „daß die Qualität des Urlaubsangebots nicht mehr zugenommen, sondern teilweise sogar merklich abgenommen hat“. Dabei komme Umweltproblemen eine zunehmende Bedeutung zu. 1989 stiegen die Reiseausgaben nur noch um 3,6 Prozent auf 45,4 Milliarden Mark.

Im klassischen Urlaubsland Italien, wo im vergangenen Sommer die Algenpest an der Adriaküste Schlagzeilen machte, gaben Touristen und Geschäftsreisende sogar fünf Prozent weniger aus als 1988. Auch in Spanien gingen die Ausgaben zurück, womit die Reisenden nach Darstellung der Bundesbank unter anderem auf eine 20prozentige Verteuerung des Spanienurlaubs seit 1987 reagierten. Wegen der zumeist höheren Inflationsraten anderer Länder war die D-Mark dort 1989 gut fünf Prozent weniger wert als daheim. Zu Beginn der achtziger Jahre erhielten Bundesbürger im Ausland sogar noch zehn Prozent mehr für ihr Geld. Aus dem Rahmen dieser allgemeinen Entwicklung fielen die USA und Griechenland. Preisvorteile durch zurückgehende Wechselkurse bewirkten seit 1982 einen Anstieg der Reiseausgaben in diesen Ländern um mehr als 60 Prozent. „Der Einfluß der Preis- und Wechselkursentwicklung auf die Wahl des Urlaubsziels ist evident“, schrieb die Bundesbank.

Die Reiseausgaben von Ausländern in der Bundesrepublik, die in der Dienstleistungsbilanz als Einnahmen gutgeschrieben werden, stiegen seit 1982 etwa doppelt so schnell wie in der umgekehrten Richtung und kletterten allein im vergangenen Jahr um 9,4 Prozent auf 16,3 Milliarden Mark. Zur Begründung dieser Entwicklung verwies die Bundesbank auf einen vermehrten Besuch von Messen und Kongressen durch Geschäftsreisende, die starke D-Mark sowie auf die „gestiegene Reisefreudigkeit der Japaner“.

Unterm Strich blieb zwar auch 1989 ein Defizit im Reiseverkehr (also mehr Auslandsreisen der Deutschen als Deutschlandreisen von Ausländern) von 29,1 Milliarden Mark. Dieser Fehlbetrag war aber kaum höher als im Vorjahr mit 28,9 Milliarden. Damit bahnt sich nach den kräftigen Zuwachsraten in den siebziger Jahren ein Stillstand an. Das höchste Defizit im internationalen Tourismus hat inzwischen Japan und nicht mehr die Bundesrepublik.

Wenn schon die Entwicklung im Tourismus nicht mehr so defizitär für die bundesdeutsche Leistungsbilanz ist, so tragen die Kapitalerträge aus den Auslandsanlagen mehr denn je zum Plus in der Bilanz bei. Die Bundesrepublik hat in den achtziger Jahren aus den Anlagen in anderen Ländern etwa doppelt so viel Erträge eingenommen wie andere Industrieländer. Nach Einschätzung des Bundesbankberichtes wird der Überschuß im Kapitalverkehr künftig noch deutlich steigen. Dies und eine allmähliche Sättigung bei den Reiseausgaben im Ausland ließen das traditionelle Defizit beim grenzüberschreitenden Austausch von Dienstleistungen neben dem Warenverkehr die zweite wichtige Säule der Außenwirtschaftsbeziehungen - merklich zusammenschrumpfen.

Staat, Unternehmen und Privatleute kassierten den Angaben zufolge im vergangenen Jahr 76,9 Milliarden Mark an Zinsen und Dividenden aus dem Ausland. Das waren 34,9 Prozent mehr als 1988 und mehr als doppelt soviel wie 1982. Umgekehrt nahmen Ausländer 54,8 Milliarden Mark aus ihren Kapitalanlagen in der Bundesrepublik ein, was einem Anstieg binnen Jahresfrist um 14,4 Prozent entsprach. Per saldo ergab sich somit für 1989 ein von 9,1 auf 22,1 Milliarden Mark gestiegener Überschuß. Sieben Jahre zuvor war im Kapitalverkehr noch ein Defizit von drei Milliarden ausgewiesen worden.

Das gesamte Auslandsvermögen der Bundesrepublik - 1,2 Billionen Mark - verzinste sich 1989 nach Berechnungen der Notenbankexperten mit einer durchschnittlichen Rendite von gut sechs Prozent. Da etwa ein Fünftel aller Auslandsaktiva in Gold, Immobilien oder anderen unverzinslichen Werten bestünden, sei dies „durchaus als eine rentable Anlage deutschen Volksvermögens zu betrachten“, resümierte die Bundesbank.

Der hohe Überschuß im Kapitalverkehr insgesamt deckte zu einem deutlich größeren Teil als früher die Defizite im Reiseverkehr (minus 29,1 Milliarden Mark) sowie im Austausch von Transportleistungen, Provisionen und Lizenzen. Der Fehlbetrag in der gesamten Dienstleistungsbilanz der Bundesrepublik, der bisher stets in schroffem Kontrast zum hohen Außenhandelsüberschuß stand, verringerte sich dadurch von 25 Milliarden Mark im Jahr 1982 auf nur noch 6,2 Milliarden. In der gleichen Zeit erhöhten sich hingegen nicht zuletzt aufgrund umgekehrter Reiseströme - die Defizite in der japanischen und kanadischen Dienstleistungsbilanz, und der traditionelle Überschuß der Vereinigten Staaten halbierte sich.

Bundesländer

Bildungsmuffel

Der Monatsbericht befaßt sich auch mit den Einsparmaßnahmen der Bundesländer und entlarvt bei der Gelegenheit dieselben als Bildungsmuffel. Zur Verringerung ihrer Haushaltsdefizite haben die Länder vor allem bei den Ausgaben für die Bildung gespart. Wie aus dem Monatsbericht April der Deutschen Bundesbank hervorgeht, wurde der Personalstand im Bildungswesen von Mitte 1985 bis Mitte 1988 um fünfeinhalb Prozent verringert. Dabei seien die Finanzminister offenbar von der falschen Prognose rückläufiger Studentenzahlen ausgegangen.

Im Jahresdurchschnitt kletterten die Ausgaben auf Länderebene von 1986 bis 1989 mit 3,7 Prozent zwar schneller als beim Bund (3,1 Prozent), aber langsamer als bei den Gemeinden (4,5 Prozent). In Verbindung mit einem fünfprozentigen Anstieg der Einnahmen erzielten die Länder den „finanzpolitischen Erfolg“ einer Begrenzung ihrer Haushaltsdefizite von 17 Milliarden Mark im Jahr 1985 auf nur noch 7,5 Milliarden im vergangenen Jahr.

Allerdings wies die Bundesbank auf ein anhaltendes „Gefälle in der Finanzkraft“ der einzelnen Bundesländer hin: Während Bayern und Hamburg 1989 sogar Überschüsse erzielten, hatte das Saarland die größte Deckungslücke mit einem Anteil von 16 Prozent der Ausgaben. Gute Noten erhielt Nordrhein -Westfalen, das diese Defizitquote von fast 13 Prozent im Jahr 1985 auf gut zwei Prozent senken konnte. In Baden -Württemberg (1,8 Prozent), Hessen (1,9 Prozent), Rheinland -Pfalz (4,2 Prozent) und Bremen (8,5 Prozent) halbierte sich dieser Wert innerhalb von vier Jahren. Kaum eine Veränderung gab es in den Kassen der finanzschwächeren Länder Niedersachsen (4,5 Prozent) und Schleswig-Holstein (7,9 Prozent).

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