: Kohl und de Maiziere wieder gut Freund
■ Nachdem die Bundesregierung dem Druck der DDR für einen 1:1-Umwandlungskurs bei den Löhnen nachgegeben hat, herrschte eine freundliche Atmosphäre beim Vier-Augen-Gespräch Kohl/de Maiziere in Bonn / Verhandlungen um Staatsvertrag beginnen heute in Ost-Berlin
Bonn (taz) - Helmut Kohls Worte fielen äußerst knapp aus: Nach dem über dreistündigen ersten offiziellen Regierungsgespräch zwischen ihm und DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere (CDU) begnügte sich Kohl gestern in Bonn vor der Presse mit dem Hinweis, die Gespräche hätten in freundlicher Atmosphäre stattgefunden. Bereits während seines (Abspeck-)Urlaubs habe er alle zwei Tage Kontakt zu de Maiziere gehalten. Bei seinem Gespräch unter vier Augen gestern sei vor allem Wert darauf gelegt worden, daß der Termin 1. Juli für die Einführung der Wirtschafts-, Währungs - und Sozialunion eingehalten werden könne.
Die Verhandlungen müßten nun schnell und zügig geführt werden. Bundestag und Bundesrat würden jetzt miteinbezogen. Auf die Frage, ob die Belastung der Einheit für die Bundesbürger nicht zu hoch ausfiele, meinte Kohl kurz angebunden, acht Jahre Regierungsarbeit hätten bewiesen, daß er rechnen könne. Außerdem habe die DDR in den vergangenen 40 Jahren nicht gerade auf der Sonnenseite gelebt, meinte Kohl.
Bei dem ersten Treffen mit dem CDU-Chef der DDR nach de Maizieres Wahl zum Ministerpräsidenten der DDR habe „ein Klima unter Freunden“ geherrscht, erklärten beide. Für de Maiziere ist der Staatsvertragsentwurf ein Vorschlag, „über den verhandelt werden muß“. Es werde mehrere Verhandlungsrunden geben. „Ich habe heute nichts anzunehmen gehabt“, meinte de Maiziere. Die Expertenrunden werden erstmals am heutigen Mittwoch in der Hauptstadt der DDR zusammentreffen.
Kohl hatte unmittelbar nach dem deutsch-deutschen Gipfelgespräch seine Fraktion im Bundestag informiert. De Maiziere war nach dem Treffen mit dem Kanzler zur Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth geeilt, um dort seine Aufwartung zu machen. Zur Vorbereitung des deutsch-deutschen Gipfels war Bundesinnenminister Schäuble noch am Montag abend überraschend nach Ost-Berlin geflogen.
Gestern nachmittag trafen sich in Bonn auch noch Bundesaußenminister Genscher mit seinem DDR-Kollegen Markus Meckel (SPD), um unter anderem über die anstehenden Vier -plus-zwei-Konferenzen mit den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges sowie über Sicherheits- und Bündnisfragen zu beraten. Die beiden Minister hatten sich bereits in der vergangenen Woche in Genschers Privatwohnung bei Bonn insgeheim getroffen. Die erste Zusammenkunft der beiden deutschen Außenminister mit den vier Supermächten wird voraussichtlich am 5.Mai in Bonn stattfinden.
Auch die neue Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl kam gestern in die Bundeshauptstadt, sie wollte den 70. Geburtstag des Bundespräsidenten mitfeiern.
B.G. Kommentar Seite 10
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