: Abtreibungsfrage - schwere Frage?
■ Die Parlamentspräsidentinnen Bergmann-Pohl und Süssmuth zum Abtreibungsparagraphen / Haben Männer trotzdem das Sagen?
Berlin/Bonn (dpa/taz) - Der bundesrepublikanische Strafgesetzbuch-Paragraf 218 könnte zum „Knackpunkt“ bei den deutsch-deutschen Verhandlungen werden. Dies befürchtet die Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl. Nach dem ersten Treffen mit Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth meinte Frau Bergmann-Pohl, es wäre positiv, wenn eine gemeinsame Lösung gefunden würde, denn unterschiedliche Bestimmungen in beiden deutschen Staaten könnten sonst zu einer „Völkerwanderung der Frauen“ führen.
Frau Süssmuth befand, gemeinsame Lösungen dürften sich weder gegen die Frauen noch gegen den Schutz des ungeborenen Lebens richten - sie müßten vielmehr eine „Perspektive nach vorn“ haben.
Ob die unterschiedlichen Abtreibungsregelungen zu einer Bruchstelle bei den Vereinigungsverhandlungen werden könnten, dazu gibt es noch keine klaren Aussagen. SPD-Frauen unterstützten am Montag in Bonn die von Ärztinnen und FDP -Frauen angestrebte Übernahme der liberaleren DDR -Abtreibungsregelung bei gleichzeitiger umfassender Beratung der Schwangeren in einem geeinten Deutschland.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Renate Schmidt meinte, die Frauen in der DDR hätten sicher kein Verständnis dafür, wenn die für sie geltende Fristenregelung bei Schwangerschaftsabbrüchen der Harmonisierung des innerdeutschen Rechts geopfert würde. In diesem Sinne hatte sich auch die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Ingeborg Retzlaff, am Wochenende geäußert. Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Irmgard Adam-Schwaetzer hat unterdessen angekündigt, ihre Partei wolle die Fristenlösung erneut vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB), Alfons Müller, bezeichnete eine Abschaffung der in der Bundesrepublik geltenden Regelung als moralisch und juristisch nicht vertretbar. Es sei völlig abwegig, „die menschenverachtende Abtreibungsbestimmung“ des früheren Regimes der DDR in einheitliches deutsches Recht einzubringen.
Nach Meinung des Rechtsprofessors und früheren Verteidigungsministers Rupert Scholz (CDU) muß die bundesdeutsche Indikationsregelung später auch in der heutigen DDR gelten. In einem Beitrag der Illustrierten 'Bunte‘ schreibt Scholz, in der DDR wolle man das prinzipielle Abtreibungsverbot anscheinend nicht übernehmen. Für eine „Übergangszeit“ könne das hingenommen werden. Wer aber „die volle Rechtsgleichheit“ wolle, werde sich „nach einer solchen Übergangszeit auch zum vollen rechtlichen Schutz des ungeborenen Lebens bekennen müssen“.
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