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Friß oder stirb - die Landwirtschaft der DDR

In Rostock 8.000 Rinder und 50.000 Schweine zum Schlachten überfällig / BRD-Grenzen sind für DDR-Rohstoffe weiter dicht  ■  Von Heike Sommer

Rostock(taz) - Es ist nur ein kleiner Schritt vom sozialistischen Frühling auf dem Lande zum welken, hilfsbedürftigen Hinterhofgetingel, zur vorpubertären Seligkeit über den reichen Onkel aus dem Westen. Gestern noch leistungs- und vor allem steigerungsfähig - heute verzweifelt um ihre Weiterexistenz ringend: die Landwirtschaft in der DDR. Vor allem betroffen von dieser Misere sind die schwach strukturierten Nordbezirke und da mutet es sonderbar an, wenn der hiesige Regionalausschuß zwar etliche Hilfsprojekte beschließt, die für die zukünftige Entwicklung sicher von Bedeutung sein werden, das eigentliche Hauptproblem aber recht stiefmütterlich behandelt. Die Bilder von Tiervernichtung im Bezirk Rostock scheinen einigen Verantwortlichen noch nicht den Appetit verschlagen zu haben, denn abgesehen von der jetzigen Bereitschaft Schleswig-Holsteins, 14.000 DDR-Schweine zu verarbeiten, sind noch keine praktischen Schritte zur Lösung eingeleitet worden.

Weiterhin gelangen westliche, vor allem landwirtschaftliche Produkte ungehindert auf den hiesigen Markt. Weiterhin bleiben Fleischverkaufsstände in der DDR leer, obwohl beispielsweise im Bezirk Rostock 8.000 Rinder und 50.000 Schweine längst überfällig für die Schlachtung sind. Außerdem bleiben für DDR-Rohstoffe die Bundesdeutschen Grenzen dicht. Bonn und Berlin scheinen für dieses sich stündlich verschärfende Problem momentan kein Ohr zu haben. Und es wirkt auch nicht sehr tröstlich, wenn Björn Engholm auf dem Regionalausschuß das Problem so kommentiert, daß die Bauern ja so gewählt hätten und die Marktwirtschaft nun mal so sei. Der momentane Kurs - Ost wie West - scheint in Richtung Konkursmasse zu gehen. Denn warum gibt es immer noch keine Zollbeschränkungen für Waren aus der Bundesrepublik? Während Bonn und Berlin über dem Staatsvertrag brüten, praktiziert sich die deutsche Einheit mit aller Konsequenz schon auf dem noch gar nicht existierenden deutsch-deutschen Binnenmarkt.

Warum erklärt sich Bonn nicht bereit, überschüssige Tiere aus der DDR in nicht ausgelasteten Verarbeitungsbetrieben zu schlachten und die Produkte auf dem DDR-Markt zu verkaufen. Diese Lösung würde die EG-Bauern keinesfalls belasten.

Im Gespräch scheinen ja jetzt Lösungen zu sein, die in Richtung Produktionseinschränkung und Verminderung von Beständen durch dementsprechende Subventionierungen gehen. Aber der Gedanke an eine hungernde dritte Welt scheint dabei wieder mal ins Hintertreffen zu gelangen. Lieber eine Million Tonnen Braunkohle für die Vernichtung der momentan überschüssigen Tiere verbrauchen, als zu verschenken. So sieht es aus, friß oder stirb - die vielgepriesene Marktwirtschaft, und sei dankbar.

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