Neonazi-Partei in Ost-Berlin verboten

■ Die Kandidatur der neonazistischen „Nationalen Alternative“ im Bezirk Lichtenberg wurde gestern von der DDR-Wahlkommission verboten / Nach Razzia in besetzten Häusern hatte die Polizei Waffen, Nazi-Material und eine Adressenliste über „linke Feinde“ gefunden

Ost-Berlin. Im Bezirk Lichtenberg müssen Zehntausende Stimmzettel neu gedruckt werden. Denn das Präsidium bei der Wahlkommission der DDR hat gestern nachmittag die neonazistische Partei „Nationale Alternative“ (NA) von den Kommunalwahlen am kommenden Sonntag ausgeschlossen. Die Wahlkommission war auf die NA, die sich mit einem Einzelkandidaten in Lichtenberg um einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung bewerben wollte, nach einer Razzia der Polizei in drei von Skinheads und Rechtsradikalen besetzten Häusern aufmerksam geworden. Damals hatte die Polizei Waffen, Munition, faschistisches Propagandamaterial, Schriften der „Republikaner“ sowie nazistische Embleme und Fahnen gefunden. Die Durchsuchung stand im Zusammenhang mit den schweren Ausschreitungen zwischen Skinheads und Polizei, die am „Führer-Geburtstag“, dem 20. April, rund um den Alexanderplatz stattgefunden hatten. Bei der eine Woche später stattgefundenen Razzia wurden 20 der Bewohner festgenommen. Fünf von ihnen, darunter der Vorsitzende der NA und sein Stellvertreter, sitzen noch immer in Haft.

Der rechtlich nicht mehr anfechtbare Beschluß der Wahlkommission, die NA auszuschließen, basiert auf Paragraph 9 Absatz 2 des Wahlgesetzes der DDR. Darin wird das Verbot von Parteien, die faschistisches, rassistisches oder militaristisches Gedankengut verbreiten, geregelt. Auf Grund desselben Paragraphen war auch die Teilnahme der rechtsradikalen „Republikaner“ an den Kommunal- und Volkskammerwahlen verboten worden.

Die Entscheidung des Präsidiums der Wahlkommission fiel nach Einsichtnahme in Akten und Videoaufnahmen im Berliner Polizeipräsidium. Danach konstatierte das Präsidium eine „starke Divergenz“ zwischen dem offiziellen NA-Programm und anderen von der NA verbreiteten Schriften. Man müsse in vielen Fällen von rein faschistischem Material sprechen, sagte die Vorsitzende der Wahlkommission, Petra Bläss, gestern auf einer Pressekonferenz. Als besonders schwerwiegend empfand Frau Bläss in einem Panzerschrank vorgefundene Namenslisten mit sogenannten „linken Feinden“. Darunter hätten sich nicht nur Namen und Adressen prominenter Linker oder Journalisten - wie beispielsweise der über Skins arbeitende DDR-Filmemacher Roland Steiner befunden, sondern auch die Adressen der DDR -Regierungsparteien, einschließlich der rechtsgerichteten DSU. In der Akte „Linke Feinde“ waren ebenfalls Treffpunkte von Ostberliner Autonomen verzeichnet. In den letzten Monaten hatte es systematische Überfälle auf Treffpunkte von Linken sowie Szene-Cafes am Prenzlauer Berg gegeben.

Die NA, deren Lichtenberger Einzelkandidat Andreas Riechert ebenfalls in Haft ist, verfügt nach Informationen der taz über engen Kontakt zur neonazistischen FAP und zu anderen rechtsextremistischen Organisationen in Westdeutschland und in West-Berlin. Noch in dieser Woche haben sich nach der Razzia Führer der westlichen Neonazi-Szene mit Rechtsradikalen aus der DDR in den Häusern der Weidlingstraße getroffen. Zwei der Häuser sind offenbar wieder bewohnt, aus einem Haus hängt nach Angaben der Volkspolizei (VP) ein Transparent mit der Aufschrift „Der Kampf geht weiter“. Auch der VP liegen Hinweise auf „Verbindungen der NA zu westlichen Nazi-Organisationen“ vor, wie ein Sprecher mitteilte.

In getrennten Schreiben hatten wenige Stunden vor der Klausurtagung des Präsidiums der Berliner Polizeipräsident Bachmann und der Vorsitzende der Berliner Wahlkommission, Schaddach, den Ausschluß des NA-Kandidaten gefordert. Der Druck der für Lichtenberg bestimmten Stimmzettel war bereits vormittags gestoppt worden.

ccm