Oh Meister, ti amo

■ Saublöd! Bayern gewinnt den Titel, bevor gefeiert werden soll, nur der wickelgeschwächte McInally merkt's nicht

Ob sie die Spannung auf den Siedepunkt treiben wollten, die Erwartung der Fans zur Ekstase steigern, damit die vor Erregung die Gitterstäbe durchbeißen? Achquatschgewißnichtneinnein, natürlich wollte der FC Bayern am Mittwoch gegen St. Pauli endgültig Meister werden, die noch fehlenden Punkte am drittletzten Spieltag holen. Den Titel erst am allerletzten Tag der Bundesliga erkämpfen? Vor ausverkauftem Haus, sozusagen in direkter Fortsetzung Hitchcockscher Ideen? Nicht doch der FC Bayern, Geld hat den doch noch nie interessiert, nicht doch diese auf Sicherheit bedachte Mannschaft!

Bestimmt war das alles entscheidende Tor von Pflügler in der 15. Minute kein Unfall, ja aber natürlich hat er aufs Tor gezielt, als er daneben getroffen hätte, wenn nicht ein Hamburger eingesprungen wäre und den Ball abgefälscht hätte. Und auch als Alan McInally den Ball allein vor dem Tor zielsicher wie kein zweiter in Europa auf die Latte köpfte, war das nur seiner angeschlagenen Psyche zuzuschreiben. In München weiß man, daß der arme Kerl nachts die Tochter wickeln muß, weil die Gattin Rhona im Schminkkurs ist (so ähnlich war es kürzlich zu lesen, jaja). Die Schiedsrichter (oh, ihr unbestechlichen Götter in Schwarz), namentlich Lothar Loewer aus Unna und seine Linientreuen Bernd Domurat (Haupttribüne) und Egbert Engler (Gegengerade) hätten die vorzeitige Feier noch verhindern können, wenn sie nur zwei berechtigte Elfmeter und ein korrekt erzieltes Tor für St. Pauli anerkannt hätten. Aber sie pfiffen nicht (ach, ihr Schwarzkittel).

Und der FC Bayern München ward bundesdeutscher Fußballmeister 1990 und 15.000 Begeisterte wollten sich Bahn brechen durch den Kordon Uniformierter (in Wirklichkeit waren es nur etwa 200 aus der an diesem Abend nur halb besetzten Südkurve, und durch kamen die schon gar nicht; die wirkliche „Sause“, sagte Pressesprecher Hörwick, „findet erst am 12. Mai statt.“ Dann aber hallo!!!!).

Ach, was war der Meister erleichtert, es nun endlich geschafft zu haben. Was feierte er ausgelassen. 40 Fotografen drängten sich vor der Meistertür, die schampusgetränkte Meisterelf wollten sie ablichten, doch der Meistertürhüter wollte nicht öffnen die Meistertür zur Meisterkabine, weil doch die Sause...

Alles zu seiner Zeit in Bayern, dem Meister sei Dank.

Derweil intonierten die Fans überraschend „We are the Champions“ und „What a wonderfull world“ (armer Satchmo) und ganz spontan und vollrohr originell „So ein Tag, so wunderschön wie heute“. Das war dieser laue Maientag wirklich, weswegen die Meisten weggeblieben waren vom Stadion und lieber in den Biergärten von der MeisserschaftdesbessenGlubsderwelld träumten.

Der feierte in der VIP-Lounge ein wenig für die Presse, die wirkliche Fete sollte später steigen, intern, ohne Fans und VIPS. Nur McInally hatte das nicht begriffen, übernächtigt vom Wickelkurs. Mittendrin stand er unter den feinen Herren und schicken Damen, sang wehmütige Lieder aus dem schottischen Hochmoor - out of tune wie seine fußballerischen Darbietungen; und die Gesellschaft beobachtete die Szene gerührt.

Wo doch die Sause erst am 12. Mai nach dem letzten Heimspiel gegen Borussia Dortmund abgeht. Mit einer italienischen Nacht, bei der Ricchi e Poveri singen und Umberto Tozzi (au ja). Oh, FC Bayern München, Fußballmeister nun schon zum zwölften Mal, FC Bayern - ti amo.

Helmut Schümann

BAYERN: Aumann - Reuter - Grahammer, Kohler, Pflügler Dorfner, Schwabl, Flick, Thon (69. Bender) - Mihailovic, McInally

PAULI: Thomforde - Kocian - Trulsen, Duve, Dahms - Olck, Gronau (23. Ulbricht), Steubing (65. Großkopf), Knäbel Manzi, Ottens