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Gartenerde aus Schietwindeln

■ Großversuch im Lahn-Dill-Kreis / Bremer Recycling-Szene weiß von nichts

Seit der Erfindung des trockenen Babypopos durch den Pampers-Konzern Procter & Gamble quält umweltbewußte, aber praktisch denkende Eltern vor allem eins: Die Hausmülltonne quillt in erschütterndem Maße über von gefüllten „Höschen-Windeln“. BRD-weit machen die Hinterlassenschaften unserer Süßen immerhin 2,8% des Hausmülls aus. Das schlechte Elterngewissen schlägt auf die Bilanzen der Windelmacher zurück, kehren nicht zuletzt deswegen viele zur Stoffwindel zurück oder benutzen Vlieswindeln. Das schlechte Pampers-Image brachte Procter & Gamble dazu, sich für Recycling-Möglichkeiten zu interessieren. In den USA gibt es inzwischen Verfahren, aus den Schietwindeln Baumaterial herzustellen. Die deutsche Filiale setzt dagegen auf Kompostierung.

In Zusammenarbeit mit dem Landkreis Lahn-Dill und einem Kompostierwerk in Asslar startete P&G im März einen Großver

such mit 4.000 Pamperseltern, die die Windeln getrennt vom Hausmüll sammelten und abgaben. Die Windeln wurden im Verhältnis 1:10 mit Küchen- und Gartenabfällen gemischt, das ganze wurde geschreddert, in die Rotte gebracht, in Mieten verkompostiert. Die Polyethylenschnipsel (PE) wurden ausgeblasen und herausgesiebt. Ein PE-Anteil von ca. 6% verblieb im Kompost. Der Firma zufolge, die im Spätsommer Ergebnisse vorlegen will, zeigen erste Zwischenanalysen, daß der entstehende Kompost bakteriologisch und chemisch weitgehend unbedenklich ist: Zink aus Wundsalben, ein toxikologisch bedenkliches Schwermetall, sei „wahrscheinlich kein Problem“.

Vorteile des Verfahrens sind die relativ unproblematische technische Realisierbarkeit und die praktikable Trennung vom Hausmüll - einfach rein in die grüne Biotonne, so vorhanden. In Bremen sind solche grünen Ton

nen in einigen Großwohnanlagen vorhanden, bis '93 sollen sie sich noch erheblich vermehren, die Kompostierung passiert auf der Blocklanddeponie. Umso erstaunlicher ist es, daß die Bremer Recycling-Szene, vom Recycling-Hof Findorff über die Bodenökologische AG bis zu Umweltsenat und Blocklanddeponie zu „Pampersrecycling“ sich uninformiert zeigt. Auch eine Uni -Tagung zum Thema „Kompostierung“ Mitte Mai wird das Thema nicht aufnehmen. In eklatantem Gegensatz dazu steht das Elterninteresse: Statt der erwarteten 1.000 Mitmacher beim Großversuch im Lahn-Dill-Kreis nahmen viermal soviel teil, und das Thema wird, ich schwöre, sogar in Knakendorf/Nordheide diskutiert.

Bu

Für Nachfragen stehen gern zur Verfügung P&G in Schwalbach sowie der Umweltbeauftragte des Lahn-Dill-Kreises Dr.Ihmels, Tel.:06441/407238

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