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„Entwicklungszonen“ für die Contras

Das vielleicht finite Entwaffnungsabkommen für die nicaraguanischen Contras sieht deren Legalisierung als Partei und diverse Starthilfen vor / UNO wird langsam sauer / Chamorro läßt sich von Contra-Mann Franklin nicht unter Druck setzen / Reduzierung der Armee ist geplant  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Die nicaraguanischen Contras sollen nach ihrer Entwaffnung als Partei legalisiert und in sogenannten „Entwicklungszonen“ angesiedelt werden. Das ist das Ergebnis von mehr als fünfzehnstündigen Verhandlungen zwischen der neuen Regierung und dem Generalstab der Anti-Sandinisten, die die bereits mehrfach beschlossene Demobilisierung der bewaffneten Verbände endgültig besiegeln sollen. Das Abkommen hat besonderes Gewicht, weil es als erstes vom Oberbefehlshaber Israel Galeano alias Comandante Franklin unterzeichnet wurde.

„Die Entwaffnung ihrer Truppen beginnt am 8. Mai um 11 Uhr“ in einer der zur Sammlung der Contras geschaffenen Sicherheitszonen, verfügt das „Abkommen von Managua“. Vorher sollen aber im Umkreis der fünf Sicherheitszonen alle an Zivilisten ausgegebenen Gewehre eingesammelt und vernichtet werden. Zwar konnten die Contras sich nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, daß gleichzeitig die Armee aufgelöst werde, doch muß Armeechef Humberto Ortega bis zum 10. Juni, an dem die Demobilisierung vollzogen zu sein hat, einen Plan zur Truppenreduzierung vorlegen. Dieser soll dann umgehend umgesetzt werden.

Violeta Chamorro wartete während dessen im eleganten Olof -Palme-Konferenzzentrum auf die Delegation der Contras. Franklin, begleitet von 20 Getreuen, kam aus dem exklusiven Intercontinental Hotel, wo er vorübergehend sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Der breitkrempige Cowboy -Hut verriet den Chef. Einer nach dem anderen drückten sie der Präsidentin einen Kuß auf die Wange. „Willkommen“, begrüßte sie die seltsamen Gäste, „dies ist euer Land.“ Frau Chamorro hatte ihr gesamtes Kabinett antreten lassen.

Einer nach dem anderen mußten die Minister berichten, mit welchen Leistungen sie entwaffnete Contra-Kämpfer belohnen würden: Land für die Campesinos, Ausbildung für die Jugendlichen, Heilung für die Kranken, Prothesen für die Versehrten, Sicherheitsgarantien für alle... Was Franklin verlangte, nämlich die Umwandlung der militärisch siegreichen sandinistischen Armee in eine kleine Polizeitruppe, war jedoch nicht verhandelbar.

Violeta Chamorro erklärte, daß sie die Verfassung respektieren müsse und bestenfalls eine drastische Verringerung der Truppenstärke versprechen könne. Als Franklin einwandte, die Sandinisten hätten im Norden Panzer vergraben und auch vor den Hubschraubern hätte er Angst, platzte selbst dem gefaßten General Quezada, Chef der Blauhelme der Vereinten Nationen, der Kragen. Die Friedenstruppen, die seit November in Zentralamerika stationiert sind, um die Waffen der Contras entgegenzunehmen, fühlen sich langsam auf den Arm genommen.

Die Demobilisierung der Contras war am 19. April von den Chefs des sogenannten „Nicaraguanischen Widerstandes“ selbst akzeptiert worden. Allerdings weigerten sie sich am 25. April, mit der vereinbarten Entwaffnung zu beginnen. Der Vorwand: General Humberto Ortega - die Symbolfigur der siegreichen sandinistischen Armee - war als Armeechef bestätigt worden.

Violeta Chamorro versicherte sich durch die umstrittene Ernennung, daß sich die Armee ihren Befehlen unterordnen würde. Inzwischen geht es nicht mehr um Humberto Ortega. „Es handelt sich nicht um eine Person, sondern um ein ganzes System“, erklärte Enrique Zealaya, alias Dr. Henry, ein Mediziner, der sich vor acht Jahren auf die Seite der Contras schlug.

Fast hätte Franklin spät in der Nacht die Gespräche abgebrochen. Doch Violeta Chamorro hielt die Marathonverhandlungen nicht nur physisch durch, sondern weigerte sich auch standhaft, über den Rahmen der bisherigen Abkommen hinauszugehen. Vielleicht mußte sie an den Nationalhelden General Sandino denken, der sich auf den Tag genau 63 Jahre vorher geweigert hatte, eine erniedrigende Kapitulation des damaligen Präsidenten Moncada gegenüber dem Abgesandten der Okkupationsmacht USA, Henry Stimson, zu unterschreiben. Augusto C. Sandino gelang es darauf in einem sechsjährigen Kleinkrieg, die „Yankees“ aus dem Land zu jagen. Unter den Sandinisten wurde der 4. Mai als „Tag der Nationalen Würde“ gefeiert.

Letzten Endes können die Contras mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden sein: Sie verpflichteten sich zwar, diesmal mit der Entwaffnung Ernst zu machen, können aber ihre Organisationsstruktur beibehalten. Sie wollen sich als Regionalpartei mit „bäuerlicher Ausrichtung“ konstituieren.

Im Rahmen der Agrarreform werden sie Ländereien für ihre „Entwicklungszonen“ zugewiesen bekommen, wo sie Landwirtschaft betreiben und ihre antikommunistische Ideologie pflegen dürfen. Damit werden sie sicherlich in weiten Zonen des nördlichen und östlichen Berglandes bedeutenden Einfluß auf die konservative Bauernschaft ausüben können. Waffen, so heißt es, haben sie zudem noch viele eingebuddelt.

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