Gönnerhafte West-Arroganz

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(Guten Abend, Deutschland. Live aus dem Friedrichstadtpalast. ZDF, Sonntag, 20.15 Uhr) Gewonnen hat natürlich mal wieder Thomas Gottschalk, die Hanswurst -Lichtgestalt im großdeutschen Show-Gerummel: Mit seiner angeblich erst an diesem Abend einstudierten Papageno-Arie auf der Freiluftbühne am Alexanderplatz, begleitet von einem zusammengewürfelten Orchester, hat er zum x-ten Mal und mühelos bewiesen, daß er das Unterhaltungsgewerbe beherrscht wie kaum ein anderer und darüber hinaus auch frei von jeder West-Arroganz einen Heidenspaß inszenieren kann. Im Friedrichstadtpalast wetteiferten derweil die Unterhaltungscremetörtchen aus Ost und West um den Beifall des „fabelhaften“ Publikums. Die westdeutsche Crew, bestehend aus Frank Elstner, Dieter Thomas Heck, Wim Thoelke und Carolin Reiber, hatte die ihnen eingedübelte Aura der Postämter, Sparkassen und Raiffeisenbanken mitgebracht. Die Ostdeutschen glänzten dagegen an mit ihrem gigantischen Ballett, mit Lichtelektronik-Firlefanz, mit biederem „Kessel Buntes„-Witz - aber auch mit einem lässig-witzigen, schrankförmigen Entertainer wie Gunther Emmerlich, der aus dem Stand die Sarastro-Arie aus der Zauberflöte singen und kurz darauf im zierlichen Wiegeschritt ein swingendes Duett mit Deborah Sasson zum besten geben kann. Außerdem ist er als einziger in der Lage, dem „Gastgeber“ Frank Elstner eins auf die gönnerhafte Nase zu versetzen. Denn anders als gönnerhaft können sie sich nicht geben, die westdeutschen Reklamefritzen in eigener Sache. „Die haben sicher auch bald die Nase vorn bei Ihnen“, stellt Frank Elstner seine Kollegen vor, plump für sein gleichnamiges Fiasko werbend, und läßt sich im übrigen wie selbstverständlich und unentwegt von Heck und Thoelke als „fabelhaften Gastgeber“ bezeichnen im Friedrichstadtpalast, wo die gesamte Westbagage ja eigentlich nur zu Gast ist.

„Ganz lieb sind Sie alle hier“, klappert es aus dem holzgeschnitzten Gesicht des Sorgenkinds Wim Thoelke raus: Er hat an diesem Abend, wo West-Reich wieder mal über Ost -Arm herfällt, gravierende Probleme mit seinen dritten Zähnen. Sie rutschen ihm unbotmäßig im Mund herum, bis sie sich schließlich total verkanten und ihm seinen wichtigsten Satz vom „Geld für den sozialen Zweck“ zum „tzozzalen Zzzweck“ verformen. Ein schöner Beweis fürs ostdeutsche Publikum, daß man im Westen auch mit viel Geld an schlechte Zahnärzte geraten kann, die einem die ganze Tour vermasseln: West wollte Ost auch auf dem Show-Gebiet die Zähne zeigen und hat sie doch nur schief gebleckt.

Sybille Simon-Zülch