: China entläßt Dissidenten
■ 211 inhaftierte Teilnehmer des „Pekinger Frühlings“ auf freiem Fuß, darunter Reporterin Dai Qing / Peking will Status der meistbegünstigsten Staaten behalten
Peking (dpa/afp/taz) - Die chinesischen Behörden haben die Freilassung von 211 Personen verkündet, die wegen ihrer Teilnahme an der Demokratie-Bewegung im letzten Jahr verhaftet worden waren. Ein Sprecher des Ministeriums für öffentliche Sicherheit hat laut 'Xinhua‘ mitgeteilt, daß sich unter den Freigelassenen sich auch die bekannte Journalistin Dai Qing befindet.
Die 43jährige Reporterin hatte nach der Verhängung des Kriegsrechts im Mai 1989 die Parteispitze in einem offenen Brief aufgefordert, auf Gewalt zu verzichten. Nach dem Massaker wurde sie verhaftet. Wie Hongkonger und Pariser Exilchinesen der taz berichteten, soll Dai Qing jedoch schon vor einigen Monaten freigelassen worden sein, da sie als Schwiegertochter des einflußreichen Generals Ye Jianying über gute Beziehungen verfüge.
Unter den 211 jetzt Freigelassenen sollen sich weitere prominente Dissidenten befinden, die dem entmachteten KP -Chef Zhao Ziyang nahestehen: der ehemalige Direktor des Instituts für Soziale Entwicklung, Cao Siyuan, der Sozialwissenschaftler Yang Baikui, der Verlagsdirektor Li Nanyou, sowie der Direktor der Planungsabteilung des Stone -Computer-Unternehmens Zhou Duo, der sich an dem Hungerstreik der Studenten beteiligt hatte. Ob unter den Freigelassenen Studenten sind, erwähnte die chinesische Nachrichtenagentur allerdings nicht.
Nach Ansicht westlicher Diplomaten will Peking mit den Freilassungen den Westen, vor allem die Vereinigten Staaten, zur Aufhebung der Sanktionen bewegen, die China seit einem Jahr stark belasten. Am 3. Juni wird die US-Regierung entscheiden, ob China weiterhin auf der Liste der meistbegünstigten Staaten geführt wird. Ohne diesen Status müßte Peking eine jährliche Exporteinbuße von drei Milliarden US-Dollar hinnehmen, so eine Studie des CIA.
Westliche Menschenrechtsorganisatione schätzen die Zahl der seit Juni 1989 Verhafteten auf 10.000 und 30.000. Bereits im Januar hatte das Sicherheitsministerium die Entlassung von 573 „Konterrevolutionären“ gemeldet.
hb
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