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„Wir wollen die Kaffirs jetzt erschießen“

Rechtsradikale in Südafrika machen gegen den „Verrat“ von Staatspräsident de Klerk mobil / Terror der „Weißen Wölfe“ / Der rechtsradikale Andries Treurnicht verkündet „Befreiungskampf“ / Auch Buren haben Angst  ■  Aus Johannesburg Tim Murphy

Der 28jährige Xavier hatte Schußwunden an Bauch und Armen, überlebte aber, weil er sich totstellte. Seine Freunde Petrus und Simon hatten keine Chance. „Kennt ihr die Wit Wolfe?“, fragten die Weißen, die ihr Auto gestoppt hatten. Dann schossen sie.

Xavier und seine Freunde wurden erschossen, weil sie schwarz waren. Die „Wit Wolfe“, die „Weißen Wölfe“, die am Wochenende in der Nähe von Pretoria zuschlugen, sind ein rechtsradikales Terrorkommando. Nach anfänglicher Ruhe reagieren Südafrikas Rechte nun militant auf die von Staatspräsident de Klerk im Februar begonnenen Reformen. Überall im Südafrika bereiten sich die Rechtsradikalen vor, den „Verrat“ der regierenden Nationalen Partei (NP) notfalls gewaltsam zu stoppen.

Die Fanatiker aus weißen Kampfgruppen wie der „Afrikaaner Weerstandsbeweging“ (AWB) wie auch die Führer der Parteien rechts von der NP ziehen durch Südafrika, um den Protest zu schüren. Für den 26. Mai will die „Konserwatiewe Party“, die größte der rechten Organisationen und zweitstärkste Kraft im weißen Parlament, noch im hintersten Winkel des Landes für eine Massendemonstration in Pretoria mobilisieren.

Im Büro des Staatspräsidenten gehen täglich Schmähbriefe und -anrufe ein. Öffentlich erklärt Robert van Tonder, Führer der „Boerestaat„-Partei, daß die Afrikaaner ihre „Buren-Freiheit“ notfalls mit einem Staatsstreich erhalten werden, wenn de Klerk sie preisgäbe.

Nach historischem Muster werden vor allem in den ehemaligen Burenrepubliken Transvaal und Orange Free State bewaffnete Kommandos aufgestellt - ein Kommandant für jede Stadt, ein General für jede Region. „Ich kenne kaum jemanden, der nicht bewaffnet ist“, sagt van Tonder. Tausende, behauptet er, hätten sich schon eingeschrieben.

Sogar Weiße werden eingeschüchtert. Verstärkt schlägt etwa der AWB, der mit einem dreizackigen Hakenkreuz auftritt, auch antisemitische Töne an. Der jüdische Friedhof in Pretoria wurde geschändet, an den Toren von Synagogen in Johannesburg wurden Schweineköpfe befestigt. Ein Abgeordneter der liberalen Demokratischen Partei fand einen Pfeil mit der Aufschrift „Wit Wolfe“ in der Wand seines Hauses.

Weit größer noch als die rechtsradikalen Gruppen sind die zahlreichen weißen Zivilverteidigungskomitees. Diese „Civil Defence„-Gruppen organisieren sich meist auf Dorf- oder Stadtteilebene, dienen vorgeblich dem Schutz des weißen Eigentums und sind häufig mit rechtsradikalen Gruppierungen verflochten. In letzter Zeit haben viele mit der Reformpolitik de Klerks unzufriedene Polizisten den Dienst quittiert. Sie können in privaten Wachdiensten neue Aufgaben finden.

Bergbaustadt Welkom

wird belagert

Im Städtchen Welkom, einer rechtsradikalen Hochburg im Orange Free State, traf am Dienstag Polizeiverstärkung mit gepanzerten Fahrzeugen ein. Nach Überfällen der weißen Bürgerwehr haben mehrere schwarze Organisationen dort einen Konsumentenboykott gegen die weiße Geschäftswelt ausgerufen.

Nachts fahren offene Wagen mit bewaffneten Rechtsradikalen Streife durch die Stadt. Auch am hellichten Tag werden Schwarze attackiert und zusammengeschlagen, mindestens zwei Menschen sollen von der Bürgerwehr ermordet worden sein. „Sie stoppten mein Auto und sagten: 'Du Nigger, was willst du in unserer Stadt?'“, berichtet ein schwarzer Minenarbeiter.

Die Polizei, sagen die Bewohner des schwarzen Townships Thabong bei Welkom, paktiere offen mit den Rechtsradikalen. Im Nachbarort Virginia wurden am Montag zwei Schwarze von der Polizei erschossen, nachdem sich Polizisten, als Minenarbeiter verkleidet, auf die Suche nach Anführern des Boykotts gemacht hatten. Nun drohen die Rechtsradikalen auch noch mit einer Blockade von Thabong. Die Organisation „Weiße Sicherheit“ veranstaltet Schießübungen auch für Frauen und Kinder. Und der AWB-Sekretär von Welkom erklärt lakonisch: „Wir wollen die Kaffirs jetzt einfach erschießen, wir haben dem ANC den Krieg erklärt.“ - Kaffir ist das Afrikaanse -Schimpfwort für Schwarze, vergleichbar mit dem amerikanischen Wort „Nigger“.

Andries Treurnicht, Chef der Konservativen Partei, kündigte am Dienstag abend - auch in Welkom - den „Befreiungskampf“ an. Er könne es nicht fassen, jammerte Treurnicht vor über 1.000 Anhängern, „daß Terroristen freigelassen werden, sich an einen Tisch setzen und über Verfassungen diskutieren können“. Zuvor hatte er den im vergangenen Jahr abgesetzten Staatschef P.W. Botha angerufen, um ihm zu seinem am Wochenende verkündten Austritt aus der Nationalen Partei zu gratulieren. Botha hatte die Verhandlungen seines Nachfolgers de Klerk mit dem Afrikanischen Nationalkongreß scharf attackiert.

Bedrohlich für die Nationale Partei de Klerks ist auch, daß sich viele Polizisten inzwischen offen zur Konservativen Partei bekennen.

Das rechte Protestpotential unter den Sicherheitskräften sucht die Regierung per Doppelstrategie zu entschärfen: Vor zwei Wochen wurde Polizisten die Mitgliedschaft in politischen Parteien untersagt - gekoppelt mit einer kleinen Gehaltserhöhung.

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