„Da steht ja nur Semiotik drin“

■ Zwölf JuristInnen mit Bremer Uni-Examen fielen mit Bewerbung in Cuxhaven durch - mangels Note

Wenn sich junge Bremer JuristInnen auf eine Stelle bewerben, dann haben sie ziemlich schlechte Karten - beziehungsweise Zeugnisse. Denn auf denen fehlen die Noten. Seit Einführung der reformierten Juristenausbildung Anfang der 70er Jahre können sich StudienabgängerInnen im Gesetzbuch so gut auskennen wie im Kochbuch, doch mehr als ein dürftiges „bestanden“ steht trotzdem nicht auf ihrem Staatsexamen. Und damit sind sie bei Bewerbungen oft schon ausgeschieden.

Geahnt hatten das viele schon immer, beweisen können sie es jedoch so gut wie nie. Anders jetzt die zwölf Bremer BewerberInnen um die A-13-Stelle des juristischen Mitarbeiters im Rechtsamt der Stadt Cuxhaven. Auch sie flogen schon bei der ersten Sichtung der Unterlagen aus dem Verfahren. Einziger Grund: Ihre Zeugnisse enthalten keine Note.

Publik wurde diese Auslese mangels Note durch das grüne Mitglied im Cuxhavener Verwaltungsausschuß, Heinz Betzler. Er hielt die pauschale Abweisung für unrechtmäßig und rief die Kommunalaufsicht und das Verwaltungsgericht an. Beide entschieden nun jedoch, daß kein Verfahrensfehler vorläge.

„Wir können doch nicht 234 Bewerbungsunterlagen durchlesen, da mußte ein formales Kriterium her“, begründet Cuxhavens stellvertretender Stadtdirektor Linschau das Auswahlverfahren. Alle BewerberInnen, die nicht mindestens 7 Punkte („befriedigend“) in ihrem Staatsexamen erreicht hatten, wurden ausgesiebt. „Die Bremer Bewerbungen haben wir uns nochmal besonders angeguckt“, erinnert sich Linschau, „doch da stand ja nur Semiotik drin.“ Tatsächlich bieten die Bremer Zeugnisse eine umfassende Bewertung der juristischen Arbeit und Kompetenz - allerdings mehr zwischen den Zeilen. Zur Entschlüsselung fehlte den Cuxhavenern die Zeit. Sie wollen das Problem jetzt über den niedersächsischen Gemeindetag nach Bremen zurückmelden.

Dort ist man allerdings bereits bestens informiert. „Das ist ein großes Problem“, weiß Gerlinde Walter von der Rechtsstelle der Bremer Universität, „es gibt ja keine Möglichkeit, jemanden zu zwingen, die Bremer Zeugnisse zu lesen. Da kann man halt nichts machen.“ Unmöglich ist nämlich auch die nachträgliche Benotung der Zeugnisse. „Das ist im Gesetz nicht vorgesehen“, weiß Herr Lotze vom Prüfungsamt.

Findige Bremer JuristInnen geben sich bei ihren Bewerbungen jetzt einfach selber eine Note. Denn die notenlose Zeit geht in Bremen 1992 auch offiziell zu Ende. Die Reformausbildung weicht dann wieder dem alten Jura-Referendariat. Und das endet mit einer einzigen Zensur.

Ase