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Rundfunkfreiheit versus Chancengleichheit

■ Ein Erfolg der Grünen brachte auch die Reps auf den Bildschirm

Die Fernsehzuschauer, die am Donnerstag abend das dritte Fernsehprogramm des WDR eingeschaltet hatten, um die Diskussion der Spitzenkandidaten zu verfolgen, staunten nicht schlecht. Neben Johannes Rau, Norbert Blüm und dem FDP -Mann Achim Rohde saßen - entgegen der Ankündigung - auch die grüne Spitzenkandidatin Bärbel Höhn und der Rep-Chef Ekkehard Voigt mit am Tisch. Schuld daran sind die Richter. Zwei Stunden vor Beginn der Sendung entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster, daß auch die Reps mit von der Partie sein müßten, weil die „tragenden Gründe“ der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch für sie gälten. Wenige Stunden zuvor hatte dieses im Eilverfahren einen Beschluß des Kölner Verwaltungsgerichts (VG), wonach die Grünen zuzulassen waren, gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts in Münster, das die Ausgrenzung der Grünen durch den WDR für rechtens hielt, wieder in Kraft gesetzt.

Der juristische Streit ist im Grundgesetz (GG) selbst angelegt. Einerseits garantiert Artikel5 des GG die Rundfunkfreiheit, die der jeweiligen Redaktion - lediglich durch das sogenannte Willkürverbot begrenzt - ein weites Ermessen bei der redaktionellen Gestaltung des Programms zugesteht. Andererseits ergibt sich aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikels3 des GG, daß den Parteien Chancengleichheit einzuräumen ist. Daß der Rechtsstreit nun vorläufig zuungunsten des WDR ausging, hat der Sender sich selbst zuzuschreiben. Vom ursprünglichen Konzept, Rau gegen Blüm im Duell antreten zu lassen, verabschiedete sich die Redaktion eben nicht aus journalistischen, also von der Rundfunkfreiheit geschützten Gründen, sondern wegen politischer Pressionen. FDP-Chef Jürgen Möllemann und Achim Rohde hatten persönlich beim WDR-Indendanten Friedrich Nowottny interveniert und statt des „Duells“ die Dreierrunde durchgesetzt. Diese journalistische Selbstaufgabe war für das VG von „wesentlicher Bedeutung“. Das neue Konzept der Sendung werde durch Beteiligung der Grünen, „abgesehen von ihrer im übrigen gleichen Bedeutung“, weniger beeinträchtigt. Da beide Parteien als Hauptziel das Überspringen der Fünfprozenthürde verfolgten, komme der Ausschluß der Grünen einer „Bevorzugung“ der FDP gleich und erscheine „willkürlich“. Ob sich das Bundesverfassungsgericht dieser Wertung anschließen wird, steht dahin. Weil aber die Nichtberücksichtigung der Grünen, sollte ihre Verfassungsbeschwerde im Hauptverfahren Erfolg haben, im Nachhinein nicht mehr geheilt werden könnte, wurden sie per einstweiliger Anordnung zur Sendung zugelassen. In Abwägung dazu falle der Eingriff für den WDR „weniger schwerwiegend aus“.

Walter Jakobs

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