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Wahlentscheidende Verluste der CDU am rechten Rand

■ Neben der Wahlenthaltung ihrer AnhängerInnen verloren die Christdemokraten in Niedersachsen Stimmen an rechte Splitterparteien

Auf den ersten Blick ist das niedersächsische Wahlergebnis vor allem von Gewinnen der SPD auf Kosten der CDU geprägt: Die SPD stieg am Sonntag um 2,1 Prozent auf jetzt 44,2. Die CDU sank um 2,3 Prozent auf 42 ab. Auch die Grünen verloren 1,6 Prozent und liegen nun mit 5,5 Prozent hinter den Freidemokraten, die mit 6 Prozent ihr Ergebnis von 1986 wiederholen konnten.

Die tatsächlichen Stimmenverluste und -gewinne ergeben jedoch ein anderes Bild des Wahlergebnisses. Entscheidend für das Wahlergebnis in Niedersachsen waren nicht die Stimmengewinne der Sozialdemokraten, sondern die weitaus größeren Stimmenverluste der CDU. Gut 130.000 Stimmen fehlen nach dem vorläufigen Endergebnis den Christdemokraten gegenüber ihrem Ergebnis der Landtagswahlen von 1986. Die SPD konnte zwar 59.000 Stimmen hinzugewinnen, gleichzeitig entschieden sich jedoch für die Grünen 73.000 WählerInnen weniger als bei der letzten Landtagswahl. Das rot-grüne Lager zusammengenommen mußte bei dieser Wahl einen Verlust von knapp 15.000 WählerInnenstimmen verbuchen.

Die insgesamt geringere Wahlbeteiligung und das Anwachsen rechter Splitterparteien ist dafür auschlaggebend, daß trotz der Stimmenverluste für Rot-Grün aus der Einstimmenmehrheit für die alte niedersächsische CDU/FDP-Koalition nun eine vorerst nur rechnerische - Dreistimmenmehrheit für Rot-Grün geworden ist. Die SPD scheint also den größten Teil ihrer Zugewinne den Verlusten der Grünen zu verdanken. Hier hat sich offenbar der Einsatz der Ex-Greenpeace -Geschäftsführerin Monika Griefahn im SPD-Wahlkampf ausgezahlt.

Für die letzlich wahlentscheidenden Verluste der Union bietet das Wahlergebnis zwei Erklärungen an: Ein Großteil dieser Verluste ist sicherlich den Stimmengewinnen der rechten Splittergruppen geschuldet. Bei der Landtagswahl 1986 kamen diese Gruppierungen in Niedersachsen noch auf ganze 0,4 Prozent, am Sonntag entschieden sich 2,3 Prozent der Niedersachsen für die Gruppierungen am rechten Rand, wobei auf die Reps 1,5 Prozent entfielen.

1,9 Prozent haben die rechten Splitterparteien am Sonntag insgesamt hinzugewonnen. Außerdem konnte die CDU nach dem schlappen und themenarmen Wahlkampf offenbar einen kleineren Teil ihrer AnhängerInnen nicht zur Stimmabgabe bewegen.

Es hat sich für die CDU nicht ausgezahlt, daß sie sich in den letzten sechs Wochen vor der Wahl siegessicher gab. Auch ihr deutschlandpolitisch ausgerichteter Wahlkampf verfehlte die geplante Wirkung. Die Verluste der CDU sind im Zonenrandgebiet, auf das sich die Christdemokraten mit ihren Großveranstaltungen konzentriert hatten, eher höher als im Landesdurchschnitt.

Die in den meisten Fällen geringen BesucherInnenzahlen bei diesen Veranstaltungen hatten schon im Wahlkampf ein solches Ergebnis angedeutet. Ministerpräsident Ernst Albrecht, der sich jetzt auf sein Altenteil als Schafzüchter und Chef der Stiftung Niedersachsen vorbereitet, hat seine Wahlniederlage schon am Sonntag abend damit erklärt, daß die Bevölkerung offenbar nicht zu finanziellen Opfern für die deutsche Vereinigung bereit sei. Diese Analyse hat allerdings einen kleinen Fehler: Im Wahlkampf hatte der amtierende Ministerpräsident stets behauptet, solche Opfer seien überhaupt nicht nötig.

Jürgen Voges

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