Mit der Army geht in der Pfalz auch der Profit

Im Raum Kaiserslautern kommen auf 200.000 deutsche Einwohner 50.000 US-Amerikaner / Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind eher schlecht als recht / Bis zu zwanzig Prozent an Umsatzeinbußen fürchtet die heimische Wirtschaft  ■  Von Joachim Weidemann

Kaiserslautern (taz) - Der Club der US-Veteranen in Sembach bei Kaiserlautern fällt kaum auf. Er sieht aus wie all die anderen Gastwirtschaften und Hotels entlang der lärmenden Bundesstraße B40. Hier gibt's keine Biergärten, sondern „beer gardens“, die „daily“ geöffnet sind. Hier heißen steuerfreie Läden „tax free“, und am Tresen der Kneipen wird irischer, schottischer und amerikanischer Whiskey ausgeschänkt. Die ganze Pfalz gleicht einem „state“ im Staate.

Der Veteranenclub gehört der „American Veteran's Association“, kurz AVA. Dort darf nur eintreten, wer in den „Armed Forces“ ehrenhaft gedient hat. Derzeit zählt die AVA rund 400 Mitglieder. Am Clubflur sind Fotos angepinnt: feucht-fröhliche AmerikanerInnen bei irgendwelchen Feierlichkeiten. Die Einrichtung des Clubs gleicht einer rustikalen bayerischen Bierstube, mit Ausnahme der Videothek und den Telespielen im Nebenraum. Im Ausschank gibt's Bier von der „Bayerischen Brauerei Kaiserslautern“. Doch neben dem urdeutschen Zapfhahn hängt gleich die Speisekarte mit Hot dogs und Hamburgern.

Frau Wirtin sitzt bei einem GI und strickt. Doch mit der Ruhe ist's bald vorbei. Ein Offizier kommt und will Videos ausleihen. Die Wirtin entschuldigt sich für einen Moment. Dann kehrt sie zurück. Nein, sie könne nicht weiterhelfen, enttäuscht sie den neugierigen Gast, der sich nach Insiderkneipen der GIs erkundigt. Auch der US-Soldat am Tisch schüttelt den Kopf, erhebt sich, wechselt vier Dollar in Spielchips und schreitet breitbeinig ins Nebenzimmer zu den Videospielen.

Kaum ist er weg, wird die Wirtin etwas gesprächiger. Wie die Stimmung zwischen Deutschen und Amerikanern hier sei? „Schlecht, sehr schlecht!“ klagt sie. „Die Einstellung der Deutschen gegenüber den Soldaten kann man schon fast als als haßerfüllt bezeichnen.“ Die Deutschen hätten wohl vergessen, daß sie „durch die Amerikaner auch verdienen“.

Aber die Unfreundlichkeit der Pfälzer lasse die GIs keineswegs kalt, meint die Wirtsfrau: „Die möchten nur noch ungern hierbleiben. Die sagen sich: Laß‘ die Deutschen doch ihren Kram alleine machen. Nichts wie raus hier! Sollen die Russen ruhig kommen!!“ Ob die Sembacher US-Einheiten tatsächlich an Abzug dächten? „Ich kann Ihnen nicht sagen, ob die Sembacher Airbase geschlossen wird. Und selbst, falls ich was wüßte - sagen würde ich es Ihnen nicht. Das geht niemanden was an!“ Von einer Schließung des Stützpunkts Sembach war bisher nicht die Rede. Lediglich der US -Militärflugplatz Zweibrücken soll bis 1994 geräumt werden. Doch schon dies versetzte viele Pfälzer in Panik. Vor allem im Raum Kaiserslautern.

„Hier, in der Stadt Kaiserslautern und im Landkreis, kommen auf 200.000 Bundesdeutsche 50.000 US-Bürger“, rechnet Kaiserslauterns Oberbürgermeister Gerhard Piontek (SPD) vor. Jeder dritte Wagen gehöre einem Amerikaner, heißt es in der Pfalz. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von den US-Truppen ist frappierend: Die USA sind im Raum Kaiserslautern der wichtigste Arbeitgeber - mit rund 11.000 Stellen allein für deutsche Zivilbeschäftigte, sagt Piontek. Doch die Amerikaner fungieren nicht nur als Arbeitgeber. In den deutsch-amerikanische Beziehungen lassen sich noch ganz andere Züge aufspüren.

Freitagmittag auf der Vogelweh in Kaiserslautern. Die Vogelweh gehört zu den größten Townships der US-Streitkräfte in der Pfalz. Um die 8.000 Amerikaner wohnen in der Mammutkaserne, deren gleichförmige Häuserreihen nicht enden wollen. Vogelweh erinnert gleichermaßen an Kurgebiet und Ghetto. Als Herzstück der Anlage gilt der „Vogelweh Club für Offiziere und Zivilisten“, kurz VOCC genannt. Doch statt des erwarteten Angebots an Kultur empfängt schon am Eingang schnöder Konsum den unbedarften Besucher: ein Bazar, gerade recht zu „Mom's day“ - Muttertag.

Die Händler sind vorwiegend Deutsche. Ihr Angebot ist der reinste Kitsch: vom Porzellanlöwen, über den in Glas geschliffenen röhrenden Hirschen bis hin zu russischen Matrjoschkas. Alles, was Amerikaner mit deutschem Brauchtum in Verbindung bringen. Zum Soldatenglück fehlt nur die Kuckucksuhr.

Stattdessen bietet ein ehemaliger Juwelier aus Idar -Oberstein Schmuck feil. Das graue Haar verschwitzt und glatt, die Hemdsärmel hochgekrempelt, versucht er, einem schwarzen Paar Ringe anzupreisen: „Sis is a real diamond. I can change se size of se ring here.“

Draußen - hinter dem VOCC - spielen einige GIs Tennis. Aus einem „ghetto-blaster“ dröhnt dazu Musik. In der Nähe trainieren die Kids Baseball, jubeln über jeden „home run“. Die Vogelweh ist ihre Welt - hier gehen sie zur Schule, hier verbringen sie ihre Freizeit und vielleicht landen sie hier einmal in der Army, wie vorher ihre Väter.

In einer Turnhalle halten sich einige Ladies mit Aerobic fit. Soul und Hardrock ertönen in fast allen Ecken des US -Townships, zumeist aus Boxen aufgeklappter Autohecks, um die sich gegen Abend irgendwelche Gangs versammeln. Nobelkarrossen stehen neben verkehrsgefährdenden Rostlauben. Keiner schert sich drum - mit Ausnahme der heimischen Kfz -Betriebe.

Gerade Kaiserslauterns Autobranche hängt von US-KundInnen ab, wie Guido Flörchinger, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, zu bedenken gibt. Die Amerikaner gäben „einen Haufen Privatfahrzeuge“ bei den Deutschen in Reperatur. Dazu kämen jede Menge Bauaufträgen, Malerarbeiten und Gerüstbauten. Selbst das Frischfleisch in den sonst auf amerikanisch getrimmten „PX„-Einkaufsshops stamme zum Teil von deutschen Metzgern. Zögen die Amerikaner aus dem Raum Kaiserlautern ab, so befürchten Handwerk und Industrie „Umsatzeinbußen in Höhe von bis 20 Prozent“.

Schlimm träfe der Truppenabzug, so Flörchinger, auch all jene „Häuslebauer, die ein Ein- oder Zweifamilienhaus mit Einliegerwohnung errichtet haben.“ Sie quartieren GIs ein, um mit deren Mieten die Baukredite abzuzahlen. Oberbürgermeister Piontek schätzt ihre Zahl auf gut 2.000. Bleibt noch die Gastronomie, die ebenfalls von den Amerikanern lebt. Die Autoschalter der Fast-Food-Ketten sind dabei nur Randerscheinungen. Denn die GIs, so weiß Piontek, „sind ganz wild“ nach deutscher Küche: „Die wollen ihr Schnitzel, ihr Sauerkraut und ihren Pfälzer Saumagen.“

So gesellig dies auch klingt, so oft Piontek auch immer betont, die Amerikaner lebten „nicht in einem Ghetto“ - so hoch sind doch die Barrieren zwischen „Beschützern und Beschützten“. Piontek meint, es liege allein an mangelnden Sprachkenntnissen. Doch auch der „Deutsch-Amerikanische Freundschaftsverein“, so gibt das Kontaktbüro der US -Streitkräfte zu, begeistere die Deutschen nur wenig. Im Verein, der von der US-Army gefördert wird, überwiegen die Amerikaner. Damit, so meint die Wirtin des Veteranenclubs, erreiche man eben nur jene Deutsche, „die den USA gegenüber sowieso schon aufgeschlossen sind“. Die Mehrzahl der Pfälzer aber werde durch einen Wochenendausflug oder eine Haloween -Party nicht mehr aus der Reserve gelockt. Entlang der abgasverpesteten B40 protestieren Transparente bisher nur gegen den Schwerlastverkehr. Von antimilitärischen Parolen fehlt noch jede Spur. Wie lange noch mag dem so sein?