PROTESTANTISCHE KATHOLIKEN

■ Kunst-Kirche-Konkordat: „Altarbild - Geist und Körper“ im Zeughaus

Der drohende Katholikentag materialisiert sich auch in den Galerien. Im Martin-Gropius-Bau werden die „Spuren des Transzendenten“ in der Kunst der Gegenwart gesucht, nicht mit der Lupe, das hat die Berlinische Galerie nicht nötig, sondern auf großflächig Sattbekanntem, auf Tafelbildern von Richter bis Baselitz. Es darf geklotzt werden, schließlich findet nicht jedes Jahr solch ein Fest statt. Nun schließt sich an diesem Wochenende die Galerie Brusberg an mit dem Titel: „Ecce homo! oder Christus verweigert den Gehorsam“. In Bildern und Skulpturen der Gegenwart von Altenbourg bis Tapies werden christliche Motive gesucht. Und aus der HdK ins Museum für Deutsche Geschichte in Ost-Berlin wanderte die Ausstellung „Altarbild - Geist und Körper“.

Ausnahmsweise werden hier nicht hochdotierte KünstlerInnen aufgehängt und -gestellt. Die Präsentation geht auf einen Wettbewerb zurück, der vor ungefähr einem Jahr in der HdK ausgeschrieben wurde. Die Kulturkommission des Deutschen Katholikentages dachte sich -ähnlich wie ein Jahrzehnt zuvor zum letzten Katholikentag-, daß die Beteiligung eines gemeinplatzig als unkonventionell geltenden Fachbereichs dem Ansehen des Massenspektakels in der Kirche skeptisch gegenüberstehenden Kreisen nützlich sein könnte. „Fleischwerdung“, „Feierlichkeit“, „Gethsemane“, „Heilige und Legenden“, „Raum-Zeit-Ewigkeit“, diese ersten Themenvorschläge, waren den Veranstaltern deshalb wohl sogar noch zu katholisch. „Altarbild - Geist und Körper“ schien schließlich geeigneter. Tatsächlich meldeten sich mehr als 250 TeilnehmerInnen an. Immerhin gab es für die bloße Meldung schon einmal 100 DM. Tatsächlicher Anreiz aber dürfte das konkrete Thema gewesen sein und die Aussicht für die KünstlerInnen, einmal zweckorientiert produzieren zu können, nicht ins Leere hinein für anonyme Käufer, die hoffentlich irgendwann einmal ein Werk aus einer Galerie tragen würden.

Sorgfältig wurden die Angemeldeten betreut. An der HdK bot Pater Friedrich Menneckes aus Köln eigens ein Seminar an, um den mit religiöser Kunst und Kirchenraum wenig vertrauten StudentInnen Nachhilfe und Anregung zu geben. Zu einem diskussionsfreudigen Forum entwickelte sich der Jour Fixe mit Exkursionen in die Praxis dann aber nicht. Nach Augenzeugenberichten beherrschte das Seminar das Bestreben, die eigenen Gedanken für sich zu behalten - schließlich befand man sich in einem Wettbewerb.

Eine siebenköpfige Jury wählte unter den über 300 von 140 TeilnehmerInnen eingereichten Arbeiten 70 Stück aus. Entscheidend seien Praktikabilität des Vorschlags zur Gestaltung eines Altarraumes und die „Authentizität“ gewesen, will der Katalog glauben machen. Eine gesonderte Einkaufskommission schließlich sollte mit 50.000 DM ankaufen. Per Telefon wurde mit den KünstlerInnen über den Preis verhandelt, und gern hätten die Einkäufer in manchen Fällen nicht mehr als den reinen Materialwert -2.000 DM - springen lassen wollen. Zweckmäßig und pragmatisch ging die Kommission dabei vor, und Otto von Simson, Mitglied der Jury, gab im Einleitungswort des Kataloges zu: „Es gab so fragile Papierarbeiten, wie die sehr bemerkenswerte Paraphrase zu Leonardos „Abendmahl“ von Andrea-Juliette Grote, die wegen der geringen Beständigkeit des Materials zwar nicht angekauft wurde, die aber eine ehrenvolle Erwähnung erhielt.“ Da kann sie sich freuen!

Besser wird die Lage für Grote auch dadurch nicht, daß ihr Werk, geknicktes Papier auf Keilrahmen, nun im Haus der Deutschen Geschichte Unter den Linden hängt. Hier hängt und steht und drückt sich Exponat an Exponat im Foyer und bildet ein wahres Labyrinth, durch das sich Gruppen von Touristen ihren Weg in die Dauerausstellungen bahnen wollen. Um sie am schnöden Weiterziehen zu hindern, wurde eine Ausstellungsführerin engagiert, die stündlich einer Reisegruppe den wahren Wert der Expostion erklären soll.

Mit den Ausstellenden über ihre Arbeiten zu reden blieb keine Zeit, denn Zeit ist knapp. Denn wie bei den beiden anderen Ausstellungen zum Deutschen Katholikentag mischt auch hier die Guardini-Stiftung vom Tempelhofer Ufer mit, eifgrigst damit beschäftigt, zwischen Kunst, Wissenschaft und Kirche zu vermitteln. „So viel zu tun!“, speiste die Leitung vom Tempelhofer Ufer die TeilnehmerInnen ab. So blieb bis zum Schluß unklar, wie der Transport über die Grenze gehen sollte, denn nachdem der Vertrag der zuständigen ABM-Kraft pünktlich vor Eröffnung ausgelaufen war, herrschte große Verwirrung. Aber die jungen Leute von heute sind ja so selbständig.

Und so kritisch. Daß die TeilnehmerInnen sich nicht aus purer Religiösität oder Kirchenfreundlichkeit am Wettberb beteiligen würden, war auch der Kulturkommission klar. „Altarbild“ trug aber vor allem der Tatsache Rechnung, daß die jungen Künstler, wie schon erwähnt, in ihrer Mehrheit der christlichen Tradition skeptisch gegenüberstehen“, baut Otto von Simson darum vor. Die Auswahl-Jury wiederum ließen solche Überlegungen aber kalt. Und so finden sich im Haus der Deutschen Geschichte ganz traditionelle Sachen: Viele, viele Tryptichone und vieles in gestischem Pinselschwung, expressiv, abstrakt und schön bunt. Die Kommission belohnt die, die ihre Lektionen gelernt haben.

Nur weniges verletzt die Norm im Zeughaus. Wie die dreiteilige Arbeit von Elisabeth-Jacoba Merdes, in deren drei widersprüchlich zueinander stehenden Teilen die Gebrochenheit und Gewalt der Glaubensgeschichte durchscheint. Rechts treibt ein grobstrukturierter Baum Blüten, links wecken gemalte Kacheln hinter zerschlagenen Scheiben (gemalt) Bilder von in gefliesten Räumen hingerichteter Menschen. Dabei ist die ganze Arbeit von kräftigen Farben durchsetzt, die fast fröhlich und naiv wirken. Julia von Randow formuliert im zweiteiligen Altarbild „Pieta“ Weiblichkeit, ohne den Assoziationen aufzusitzen, mit denen der Begriff mittlerweile belegt ist. Unter einem Perlonstrumpf mit Dornen überschlägt ein Knie das anderen. In ihrer bis zur Unkenntlichkeit überdimensionalen Vergrößerung, wirken die Fleischberge ungemein obszön, aber von selbstbewußter Selbstverständlichkeit. Anna Heinevetters dreiteilige Photoarbeit „Erinnerung - Erfahrung - Erwartung“ schließlich besteht aus einzelnen Bildern, Erde, Wasser, Gras, die sich in der Höhe verstellen lassen. Die Figuren sind austauschbar, so daß die Installation sich verschiedenen Räumen anpassen kann und nicht zwingend als Andeutung einer Kreuzform gezeigt werden muß.

Der große Rest verschwindet zwischen Kreuzen, Farbflächen, biblischen Themen, blauen Broten und Leiden, Leiden, Leiden, mit dem sich die TeilnehmerInnen protestantischer erwiesen als ihre Juroren. „Authentizität“, das war nur ein Schlagwort: So recht von religösem Ausdruck ist, wen hätte es gewundert, keine der Arbeiten.

So handelt es sich bei „Altarbild - Geist und Körper“ wohl um eine Veranstaltung reinen Zweckes. Die Kulturkommission hat ihr Aushängeschild, die KünstlerInnen ihre Ausstellungsmöglichkeit, dreizehn Arbeiten wurden aufgekauft und sollen, wenn sich denn jemand für sie interessiert, an ihre Bestimmungsorte, die Altarräume irgendwelcher Kirchen gehen. Nichts als Agreement, oder wie sonst ließe sich erklären, daß unter den Ausstellenden auch Leute zu finden sind, die sich sonst in autonomen Zusammenhängen politisch betätigen?

Claudia Wahjudi

„Altarbild - Geist und Körper“. Bis zum 30. Mai im Museum für deutsche Geschichte, Unter den Linden, 1020. Katalog, 103 Seiten.