: Kritische Aktionäre nervten Deutsche Banker
Forderung nach Dividendenkürzung zum Schuldennachlaß / Deutsche Bank machte im letzten Jahr die höchsten Profite seit 1945 / Vorstand behauptete: Seit Jahren haben wir nichts mehr in der Dritten Welt verdient / Unflätige Ausfälle eines Aktionärsvertreters ■ Aus Essen Walter Jakobs
Bei der diesjährigen Hauptversammlung der Deutschen Bank in Essen haben mehrere Vertreter der „kritischen Aktionäre“ am Dienstag vergeblich eine Dividendenverminderung zugunsten eines Schuldenerlasses für die Entwicklungsländer gefordert. Die Bank hat seit 1945 nie mehr verdient als im letzten Jahr und eine Dividendenerhöhung um zwei auf 14 DM je 50-Mark -Aktie beschlossen. Insgesamt werden an die 310.000 Aktionäre in diesem Jahr satte 557 Millionen DM ausgeschüttet.
Die Redebeiträge der „kritischen Aktionäre“, zu denen sich etwa 200 der 310.000 Kapitalbesitzer bekennen, gingen im zum Teil heftigen Protest von 2.000-3.000 Aktionärsvertretern in der Essener Grugahalle unter. Amado Mendoza, Vizepräsident der philippinischen „Freedom from Debt Coalition“, nutzte seinen Vertretungsauftrag für eine kritische Aktionärin, um am Beispiel der Philippinen das Schuldenproblem zu verdeutlichen: Sein Land muß in den Jahren von 1988-1992 insgesamt 16 Milliarden Dollar an die Industrieländer zurückzahlen. Das ist mehr „als wir von allen unseren Kreditgebern in der Zeit erhalten“, sagte Mendoza und bat die Aktionäre, nun auch ihren Teil zur Lösung des Schuldenproblems seines Landes beizutragen.
Der neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, wies die Forderung der Kritiker unter dem Applaus der vielen Kleinaktionäre zurück. „Es kann doch gar keine Rede davon sein, daß die Deutsche Bank in den letzten sieben Jahren“ an den Krediten aus den Ländern der Dritten Welt verdient habe. Die Bank habe im Gegenteil durch Forderungsverzichte und Zinsermäßigungen zu einer „Erleichterung der Schuldenlast“ beigetragen. Eine weitere Belastung der Aktionäre durch die von den Kritikern geforderte Dividendenkürzung, sei, so der Bankvorstand in seiner Stellungnahme, „deshalb nicht mehr zumutbar“.
Der „kritische Aktionär“ Martin Strätling erinnerte den neuen Vorsitzenden an die Äußerungen seines ermordeten Vorgängers, Alfred Herrhausen, der noch 1988 die Zinserträge der Deutschen Bank aus den Entwicklungsländern mit 167 Millionen DM angegeben habe. Kopper, der die Gesamtforderungen der Bank gegenüber den Entwicklungsländern nicht nennen wollte, hielt den Kritikern - ohne den Umfang zu beziffern - die Zinsaufwendungen vor, die weit über den Erträgen lägen.
Ganz übel reagierte der auf vielen Hauptversammlungen auftretende Aktionärsvertreter Fiebig auf die Anträge und Wortbeiträge der Kritiker. Fiebig, der zunächst die Rückführung des gesamten verstaatlichten Vermögens in der DDR an die ursprünglichen Besitzer gefordert hatte, machte für das Elend in der Dritten Welt das dortige Bevölkerungswachstum verantwortlich, „denn die Menschen dort vermehren sich ja wie die Heuschrecken oder die Karnickel“.
Keiner der sich so gern weltläufig und internationalistisch gebenden Vorstandsherren, die schon bei den kleinsten sprachlichen Zuspitzungen ihre Kritiker unterbrachen, wies diese ungeheuerlichen Entgleisungen, die zum Teil vom Gelächter der Aktionäre begleitet wurden, zurück. Es blieb Martin Strätling überlassen, sich für Fiebig vom Rednerpult aus öffentlich zu schämen und sich bei den anwesenden Vertretern aus den Entwicklungsländern zu entschuldigen. Die Banker ließen Fiebig gewähren, dankten sogar für dessen Wortmeldung.
Wie erwartet, wurden auch alle weiteren Anträge der „kritischen Aktionäre“, zum Beispiel die Nichtentlastung des Vorstands wegen der Beteiligung der Bank an umweltzerstörerischen Industrien und Projekten, unisono zurückgewiesen. Der Aufruf von Rupert Kubon an die Aktionäre, „geben sie sich selbst und unserem Überleben eine Chance, indem sie den Vorstand und dem Aufsichtsrat die Entlastung verweigern“, wurde aus dem Saal von den Aktionären der größten und vornehmsten deutschen Bank mit schallendem Gelächter quittiert.
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