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"Wird die DDR heute beerdigt?"

■ Am Tage der Unterzeichnung des Staatsvertrages stellte die taz diese Frage Prominenten aus Ost und West

Am Tage der Unterzeichnung des Staatsvertrages stellte die taz diese Frage Prominenten aus Ost und West

„Mit großer Erschütterung muß ich die Frage mit Ja beantworten„

(Johannes Mario Simmel, Schriftsteller)

„Ich bin dafür, daß aus diesen beiden deutschen Teilen ein neues Deutschland wird und daß die einzig positiven Errungenschaften des Sozialismus - nämlich die Vorsorge für berufstätige Mütter und das Alkoholverbot auf der Straße, Tempo 100 und andere Kleinigkeiten - im Interesse der Menschen beibehalten werden. Ich bin auch für die Marktwirtschaft, aber nur wenn sie ernst geommen wird und jeder Anbieter durch die Marktordnung einen sicheren Platz auf dem Markt hat.„

(Hark Bohm, Regisseur)

„Wenn man das politisch-institutionelle Rahmengebilde darunter versteht, dann wird die DDR heute sicher verabschiedet. Aber die Menschen, in ihrer Mischung aus Opfer und Täter - wobei diese Mischung wohl zumeist in den einzelnen selber liegt - bleiben ja. Und das zukünftige Konfliktpotential wird in dem brisanten Verhältnis von Zuversicht und Demütigung liegen.„

(Silvia Bovenschen, Literaturwissenschaftlerin)

„Ob Beerdigen das richtige Wort ist, weiß ich nicht. Ich würde sagen, die DDR wird entmündigt, enteignet.„

H.J. Fischbeck, Demokratie Jetzt)

„Mein Sohn sagt, ich sei ein linkes Fossil, aber lieber Fossil als großdeutsche BRD.„

(Leonie Ossowski, Autorin)

„Von der Beerdigung der DDR hat doch Wolf Biermann schon am Wahlabend gesprochen.„

(F.C. Delius, Schriftsteller9

„Gemessen daran war die Übernahme der „Neuen Heimat“ ein glänzendes Geschäft“.

(Irene Dische, „Wahrsagerin“)

„Ich hoffe es. Ich gehe davon aus, daß Deutschland eine Einheit ist, die jetzt als solche auch wieder erscheint. Das hat mit Chauvinismus nichts zu tun. Ich glaube, daß eine Regenerierung der Lebensverhältnisse in der DDR nicht auf einem dritten Weg, den ich für eine Illusion halte, zu erreichen ist.„

(Horst Mahler, Rechtsanwalt)

„Ich glaube, sie ist schon lange beerdigt worden. Heute findet nur die Trauerfeier statt. Viele der heute vergossenen Tränen sind reine Krokodilstränen, denn diejenigen, die jetzt die DDR am lautesten beklagen, sind die Hauptverantwortlichen für ihr jähes Ableben.„

(Klaus Staeck, Graphiker)

„Es sieht so aus, als würde die DDR heute beerdigt. In Wirklichkeit beginnt heute der Untergang der Bundesrepublik. Vergleicht man es mit dem Jahr 1940, sah es ja damals auch so aus, als hätte der Faschismus in Europa gesiegt. Und fünf Jahre später war's ganz anders„

(Harun Farocki, Filmemacher)

„Nein, die DDR wird heute nicht beerdigt. Das ist schon vorbei. Beerdigt werden möglicherweise die Hoffnungen vieler DDR-Leute, aber die meisten wissen das noch nicht.„

(Jurek Becker, Schriftsteller)

„Wir geben praktisch die Hoheit auf den beiden wichtigsten Gebieten der Währung und der Wirtschaft auf, verpflichten uns zur Übernahme der bundesdeutschen ordnungspolitischen Grundsätze. Wir gewinnen aber nicht dabei die „Kampf- und Verteidigungswaffen“, die man in einem solchen System braucht. Ich betrachte das als Sieg der Exekutive über die Legislative und die erst aufzubauende Rechtsprechung.„

(Jens Reich, Neues Forum)

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