: Kresnik, Tanzcrack
■ Hans Kresnik erhielt Donnerstag Berliner Theaterpreis
Nach einer umjubelten Aufführung seines Tanztheaters „Ulrike Meinhof“ beim Theatertreffen in Berlin erhielt der Choreo graph und Regisseur Johann Kresnik vom Bremer Schauspielhaus den „Theaterpreis Berlin“. Der mit 30 000.- Mark dotierte Preis wurde von der „Stiftung Preußische Seehandlung“ zum dritten Mal verliehen. Unter den Vorgängern sind George Tabori sowie Peter Stein und Karl Ernst Herrmann.
Nachdem am Schluß der Aufführung im Schiller-Theater der zum Teil alptraumhafte Rückblick auf das Leben der Journalistin und späteren Terroristin Ulrike Meinhof aus dem Lautsprecher Heino „Deutschland, Deutschland über alles“ zum erschütternden Finale auf der Bühne intonierte, brandeten Beifallsstürme mit Bravorufen auf.
Der Kritiker Michael Mersch meier, der für die Jury die Preisverleihung begründete, bezeichnete den 1939 in Kärnten geborenen Kresnik als „Trauerarbeiter des deutschen Theaters“, der „nicht trist, sondern wild und packend“ arbeite. „Die Unfähigkeit zu trauern“ im Nachkriegsdeutschland habe ihn inspiriert und zum „Vater des neuen deutschen Tanzes“ werden lassen. Seine Inszenierungen seien seit 1968 „ein Stück Kulturgeschichtsschreibung der Bundesrepublik“.
Der Theaterpreis, die erste Auszeichnung für Kresnik in der Bundesrepublik überhaupt, solle ihn auszeichnen „als einen Künstler ohne Furcht und Tadel“. In Vertretung des Regierenden Bürgermeisters Walter Momper als Stiftungsratsvorsitzender überreichte Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller-Seel den Preis.
Kresnik, der einen Teil der Preissumme für obdachlose Kinder in Brasilien zur Verfügung stellen will, erinnerte in seinen Dankesworten an seine Anfänge in Bremen ab 1968, wo er von dem bei der Preisverleihung anwesenden Regisseur und früheren Intendanten Kurt Hübner wesentlich gefördert wurde und mit Regisseuren wie Hans Neuenfels, Rainer Werner Fassbinder und Wilfried Minks zusammenarbeitete, die seine Neigung zum choreographischen Theater unterstützten. Die Studentenunruhen von 1968 und die Begegnung mit Ernst Bloch bewirkten bei Kresnik die Hinwendung zum politisch -sozialkritischen Ballett. Mit seinem 1968 entstandenen Tanzstück „Paradies?“ über das Attentat auf Rudi Dutschke wurde erstmals seit „Der grüne Tisch“ von Kurt Jooss (1932) wieder eine deutsche politische Choreographie vorgestellt. dp
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