: Gegen „Anti-Abtreibungsterror“
Demo in München gegen Paragraph 218 und die Versuche, ihn zu verschärfen / Vertreterin aus der DDR: „Erster gemeinsamer Kampf der deutsch-deutschen Frauenbewegung“ ■ Aus München Kerstin Hartig
„Wenn Bayern deutscher Meister wird, ist aber mehr los auf dem Marienplatz.“ Diese Ansicht eines unbeteiligten Passanten blieb zwar unwidersprochen, doch konnten die Münchner Frauen, die die Kundgebung gegen den Paragraphen 218 auf die Beine gestellt hatten, trotzdem zufrieden sein.
Rund 500 Zuhörerinnen und Zuhörer lauschten am Samstag geduldig den scharfen Protesten, die einmal mehr gegen den Abtreibungsparagraphen 218 und vor allem gegen die Versuche der Bayerischen Staatsregierung, die bestehende Regelung noch weiter zu verschärfen, vorgebracht wurden. Folgerichtig bezeichnete Anita Heiliger von „Kofra“, dem Kommunikationszentrum für Frauen in München, die bayerische Normenkontrollklage, mit der die soziale Indikation so gut wie abgeschafft werden soll, als „historischen Rückschritt in der Frauenfrage“.
Ihre Rede hatte sie allerdings erst mit 15minütiger Verspätung halten können, da das berühmte Glockenspiel, das täglich vormittags um 11 Uhr die Touristen in Scharen anlockt, ausgerechnet am Samstag noch mal eine Stunde später wiederholt werden mußte. Erst nach diesen traditionellen Klängen durfte dann die Frauen-Samba-Gruppe der „Münchner Ruhestörung“ so richtig loslegen und gehörte der Marienplatz wenigstens für kurze Zeit den Frauen. Und die zogen kräftig vom Leder.
Mit einem kurzen Theaterstück, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, skizzierten sie die in Bayern bereits praktizierte Zwangsberatung abtreibungsentschlossener Frauen und ihren Spießrutenlauf zwischen Beratung, Indikationsstellung und Kliniksuche. Scharf kritisiert wurden aber auch Bayerns ÄrztInnen, die sich nach den Memminger Hexenprozessen „ihrer Verantwortung feige entzogen“ hätten und mittlerweile kaum noch bereit seien, eine soziale Indikation zu bescheinigen.
Immer wieder von Beifall unterbrochen wurde die Rede von Christina Schenk vom Unabhängigen Frauenverband (UVF) der DDR, die den Widerstand gegen den Paragraphen 218 als „ersten gemeinsamen Kampf der deutsch-deutschen Frauenbewegung“ bezeichnete. Ein Abtreibungsverbot sei menschenfeindlich, da es die psychischen Folgen der ungewollten Schwangerschaft bei Müttern wie Kindern zynisch in Kauf nehme: „Schwangerschaft ist kein biologisches Faktum, sondern eine komplizierte soziale Beziehung, die erst hergestellt wird.“ Für die Frauen in der DDR, so Christina Schenk, käme als „Mindestlösung“ nur eine Fristenregelung zum Schwangerschaftsabbruch in Frage, die dann weiter liberalisiert werden müsse.
Die soziale Indikation von einer anderen Seite beleuchtete Cornelia Hühn vom Feministischen Frauengesundheitszentrum (FFGZ) in Frankfurt. Sie wies auf die bislang völlig außer acht gelassenen Frauen hin, die jenseits jeder materiellen Notlage einfach kein Kind haben und daher eine Schwangerschaft aus Gründen abbrechen wollten, die es in der öffentlichen Diskussion nicht gebe - weil es sie nicht geben dürfe. „Der Anti-Abtreibungsterror soll Frauen einseitig zu Mütterlichkeit und Friedfertigkeit verurteilen. Wir sind aber keine Nährböden, auf denen Kinder naturgegeben wachsen, wenn sie schon mal eingesät sind.“
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