: „Ich möchte mich nicht unnötig vorzeitig festlegen“
Gerhard Schröder, Niedersachsens künftiger Ministerpräsident, zum „Schacht Konrad“ und zum Staatsvertrag mit der DDR ■ I N T E R V I E W
taz: Wann möchte Gerhard Schröder zum neuen Ministerpräsidenten gewählt werden?
Gerhard Schröder: Möglichst vor dem 22.Juni, denn die neue Landesregierung soll im Bundesrat die Position Niedersachsens zum Staatsvertrag mit der DDR vertreten.
Damit setzt sich die SPD unter Zeitdruck. Ist die FDP nun endgültig als möglicher Koalitionspartner der SPD aus dem Rennen?
Die FDP hat sich festgelegt, mit uns weder zu reden, noch zu verhandeln, obwohl wir ihr das deutlich und meiner Meinung nach auch fair angeboten haben. Wir verhandeln jetzt mit den Grünen. Die Verhandlungen sind erfolgsorientiert, und ich gehe davon aus, daß wir sie auch erfolgreich abschließen werden.
Da hat sich auch durch den „Gedankenaustausch“ des SPD -Landesvorsitzenden Johann Bruns mit dem FDP -Landesvorsitzenden Heinrich Jürgens nichts Neues ergeben?
Auch in diesem Gespräch hat sich nichts Neues ergeben.
Sie wollen also am ersten Tag der neuen Legislaturperiode, am 21. Juni, von einer rot-grünen Koalition gewählt werden. Welche Nachbesserungen will die SPD bis zum 22. Juni noch beim Staatsvertrag mit der DDR durchsetzen?
Es geht nicht um Nachbesserungen, sondern um das Verhalten der SPD insgesamt. Mit einer ungeteilten Zustimmung zum Staatsvertrag könnte sich die SPD in die Lage bringen, das verhängnisvolle Tempo zu unterstützen, mit dem Helmut Kohl diesen Vertrag zusammengezimmert hat. Damit könnte die SPD für die sozialen und ökonomischen Folgen mitverantwortlich werden, die sowohl hier als auch in der DDR entstehen werden. Über die Haltung der SPD werden wir am Montag im Parteivorstand beraten. Im übrigen ist noch nicht genügend offengelegt, welche Belastungen auf Niedersachsen und dessen Bürger durch diesen Vertrag zukommen werden. Mit der Veinbarung der Finanzminister des Bundes und der Länder über den Fonds zugunsten der DDR ist der gesamte Finanzbedarf noch nicht im entferntesten gedeckt. Über diesen Fonds sind sicherlich Infrastrukturmaßnahmen in der DDR zu finanzieren. Doch er ist weder von der Anlage noch vom Volumen her geeignet, die Defizite im Staatshaushalt der DDR zu decken, und mit diesem Fonds ist auch die Anschubfinanzierung für das soziale Sicherungssystem in der DDR nicht machbar. Bevor man nicht weiß, wie diese Gelder aufgebracht werden sollen, kann man keine abschließende Position zum Staatsvertrag formulieren.
Also ist eine Ablehnung des Staatsvertrages durch die SPD im Bundesrat immer noch möglich?
Das Abstimmungverhalten der SPD im Bundesrat ist offen, weil es noch zu viele offene unbeantwortete Fragen gibt, bevor man die Verantwortung für diesen Vertrag übernehmen kann. Dieser Vertrag enthält meines Erachtens auch nicht genügend Sicherungen, um die Folgen des ökonomischen Zusammenbruchs vieler Betriebe in der DDR aufzufangen.
Zurück zu Niedersachsen. Werden die Atomkraftfragen in den rot-grünen Verhandlungen für Probleme sorgen?
Davon ist auszugehen.
Ihr bisheriger Fraktionsvize, der Braunschweiger Oberbürgermeister Gerhard Glogowski, hat ja schon am Wahlabend angekündigt, daß es nun kein atomares Endlager „Schacht Konrad“ geben werde, und auch nach dem SPD -Landtagswahlprogramm ist „Schacht Konrad“ für die Einlagerung von Müll aus Atomkraftwerken ungeeignet.
Meine Position zu „Schacht Konrad“ werde ich in den Koalitionsverhandlungen darlegen.
Aber das Programm der SPD wird doch eine Woche nach der Wahl noch gelten?
Die Position, die im Wahlprogramm der SPD steht, ist sehr allgemein formuliert und nach meiner Auffassung nicht differenziert genug.
Dort heißt es, „Schacht Konrad“ sei höchstens für radioaktive Abfälle aus Medizin und Forschung geeignet.
Das könnte vielleicht ja eine Position sein, auf die sich alle Seiten verständigen. Es ist nicht zu verantworten, daß es durch die Verweigerung eines Endlagers zu Problemen bei der Strahlentherapie kranker Menschen kommt.
Aber das laufende Planfeststellungsverfahren für „Schacht Konrad“ zielt darauf ab, dort 95 Prozent des atomaren Mülls aus den AKWs einzulagern.
Wenn der Landesparteitagsbeschluß, der sich im Wahlprogramm findet, richtig interpretiert wird, so schließt dieser Beschluß dies eigentlich aus. Aber in den Koalitionsverhandlungen werden gewisse Notwendigkeiten der Entsorgung und die Gefährdungen durch diesen konkreten Endlagerstandort abgewogen werden müssen. Ich möchte jetzt nicht die Koalitionsverhandlungen durch vorzeitige Festlegungen in der Sache unnötig belasten.
Gilt für den zukünftigen Ministerpräsidenten die Position des SPD-Programms noch?
Das habe ich doch eben gerade noch einmal klargestellt.
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