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Gleicher Lohn für alle!

■ betr.: "Küchenhilfen mit Professorengehalt", taz vom 23.5.90

betr.: „Küchenhilfen mit Professorengehalt“, (Der vielbeschworene „europäische Sozialraum“ ist im Europaparlament schon verwirklicht - so nobel wie ihr Habitus sind die Gehälter von Saaldienern, Chauffeuren und Postverteilern/Der Beamtenstatus gilt für alle EG -Bediensteten), taz 10.5.90

Es ist in letzter Zeit leider Mode in der Presse geworden, die EG-Beamten und ihre Besoldung anzugreifen. Dabei werden

-aus Unkenntnis und bösem Willen - ständig dieselben falschen Behauptungen aufgestellt und Unterlassungen begangen, auch Thomas Scheuer hat das nicht vermieden.

EG-Bedienstete sind in ihrer großen Mehrheit fern von ihrem Heimatland tätig, die Auslandszulagen, die übrigens niedriger als die deutscher Diplomaten sind, sollten also fairerweise nicht in Gehaltsvergleiche einbezogen werden. Außerdem sprechen sie alle fließend mehrere Fremdsprachen, was man nicht von jedem Professor behaupten kann. Dabei sind durchaus nicht alle Beamte.

Die Perfidie speziell dieses Artikels liegt darin, daß er in beleidigender Form gerade die schwächste Personalkategorie angreift. Deshalb müssen folgend Richtigstellungen gegeben werden:

Beim im Titel angesprochenen Europaparlament sind die meisten Kantinen - gegen den Willen des Personalrats längst privatisiert, die Beschäftigten, Tellerwäscher und andere, sind keine Beamten.

Amtsboten und Chauffeure der D-Laufbahn sind die Beamtengruppe, die aufgrund der Sparpolitik der Verwaltung die meisten Überstunden leisten müssen; Arbeitstage von 16 Stunden sind keine Seltenheit. Dabei sind weder Analphabeten noch andere ungelernte Hilfskräfte. (Na wenn schon! Das hätte ihnen wenigstens erspart diesen Artikel lesen zu müssen. d.sin) Die Austrocknung dieser Laufbahn wird von oben betrieben, führt zu gravierendem Personalmangel (zwei Leute müssen die Arbeit von 19 unbesetzten Planstellen miterledigen) und ist selbstverständlich keineswegs Politik des Personalrats, der für die notwendigen Stellenschaffungen kämpft. Daß in der C-Laufbahn (SekretärInnen und andere) höhere Gehälter gezahlt werden, zeigt übrigens ein einfacher Blick in die (öffentlich vorliegende) Gehaltstabelle.

Nebentätigkeiten sind auch im europäischen öffentlichen Dienst genehmigungspflichtig und werden nur in seltenen Ausnahmefällen gestattet. Aber auch von der Arbeitsbelastung her hätte ein EG-Beamter kaum die Zeit, nebenher noch Bücher zu schreiben. Deutsche Staatsdiener können hingegen dank vielseitiger steuerlicher Absetzmöglichkeiten brutto netto verdienen und nebenbei ihr Einkommen noch durch Nebenjobs oder Fremdmittel aufbessern.

Im übrigen ist es auch keine Behauptung der Personalvertretungen (einen Gesamtpersonalrat gibt es nicht), sondern Auskunft der Verwaltung, daß für bestimmte Personalkategorien Nachwuchsprobleme bestehen, weil in der Privatwirtschaft deutlich höhere Gehälter gezahlt werden. Vielleicht sollte sich schreibende Zunft da nach einem neuen Feindbild umsehen - wenn sie unbedingt eins braucht.

Joachim Behmer, Generalsekreätr, Luxemburg

Anmerkung der Äzzerin: Im übrigen ist mir nicht ganz klar, warum 'ne Küchenhilfe nicht das gleiche Gehalt wie 'n Prof haben soll? Noch nie was von Einheitslohn gehört, Kollege Scheuer? Leute, die anderen, „geistig Schaffenden“ den Dreck wegwischen, wie zum Beispiel taz-Putzmann Thomas und seine Kollegen, müßten glatt das Doppelte von dem verdienen, was Herr Prof kassiert (selbst wenn se Analphabeten wären), wenn ick nur unter anderem an die bekackten Toiletten bei uns denke. Offenbar wissen „GeistesarbeiterInnen“ nämlich nicht, wie man zum Beispiel 'ne Kloßbürste betätigt Trotz Beherrschung des Alphabets, sind taz-KollegInnen nicht in der Lage, der schriftlichen Bitte unseres Putzmannes, die Klobürste selbst in die Hand zu nehmen, da er nur ein bis zweimal in der Woche dazu kommt, nachzukommen. Und dafür, daß die „niederen“ Schaffenden das können, sich nicht zu „fein“ dafür sind und sich dafür abrackern, daß zum Beispiel die Sphäre der „GeistarbeiterInnen“ nicht völlig versifft, gehört ihnen eigentlich sowas wie 'n Bundesverdienstkreuz verliehen! Und wenn nur die EG-Angestellten in den Genuß eines Professorengehaltes kommen, dann sollte halt dafür gesorgt werden, daß auch alle anderen Küchenhilfen, Chauffeurinnen und Putzmänner in diesen Genuß gelangen. Und wenn ich je dafür sein sollte, daß zum Beispiel unser taz -Einheitslohn abgeschafft wird, dann nur unter den Bedingung, daß unsere Küchenhilfen und Putzmänner mindestens das Doppelte eines RedakteurInnengehaltes bekommen!

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