piwik no script img

UdSSR: Marktwirtschaft mit unpopulären Folgen

■ Ryshkow: Eine Marktwirtschaft erfordert grundsätzliche Veränderungen

Moskau (adn/taz) - Während sich in Moskau und anderen Großstädten die Versorgungslage dramatisiert und Hamsterkäufe gemeldet werden, debattierte die dritte Tagung des Obersten Sowjets der UdSSR die Einführung einer partiellen Marktwirtschaft für das Riesenland. Ministerpräsident Nikolai Ryshkow erläuterte, daß diese „grundsätzlichen Veränderungen in den Produktionsverhältnissen und eine neue qualitative Gestalt unserer Wirtschaft“ voraussetzt. Auf die Situation müsse mit teilweise völlig neuen Methoden reagiert werden, „die vielfach unkonventionell“ seien.

Konkret ging der Ministerpräsident allerdings nur auf Vergangenes ein. Das Nationaleinkommen habe sich in den ersten vier Monaten um 1,7 Prozent verringert, während die Geldeinnahmen um 13,4 Prozent gestiegen seien. Ryshkow benannte eines der Hauptprobleme der sowjetischen Ökonomie, nämlich das Ansteigen des Einkommens der Bevölkerung um 105 Milliarden Rubel in den letzten zwei Jahren, dem ein Absinken der Produktion gegenübersteht. „Dieses scheinbare Plus hat sich für die Wirtschaft in ein Minus verkehrt - die Krisenerscheinungen haben stark zugenommen... Die Geschäfte sind nach wie vor leer, die Unausgewogenheit der Wirtschaft wird immer größer und die Disproportion zwischen Geldmassen und Warenvorräten nimmt lawinenartig zu.“

Besonders schwierig sei die Devisenlage des Landes, die sich besonders in den letzten Monaten zugespitz hatte. Dies hänge insbesondere damit zusammen, daß die Regierung aufgrund der schlechten Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln Beschlüsse über den zusätzlichen Kauf von großen Mengen an Getreide und Nahrungsgütern im Ausland im Wert von fast drei Milliarden Rubel fassen mußte. Weiterhin erklärte Ryshkow, daß durch die nationalen Konflikte, die Streiks, zunehmende ultimative Forderungen an Moskau das Land spürbare Verluste erlitten habe, dazu zählt ein Arbeitszeitverlust von 9,5 Millionen Arbeitstagen. Der Ministerrat der UdSSR „erachtet es als notwendig, in aller Offenheit folgendes zu sagen: Wenn sich alle diese Tendenzen in der Wirtschaft weiter fortsetzen, müssen die im nächsten Regierungsprogramm vorgesehenen Veränderungen unter weitaus schwierigeren Bedingungen verwirklicht werden.“ Damit kündigte Ryshkow weitere unpopuläre Beschlüsse an, „die von der Bevölkerung schmerzlich empfunden werden.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen