: Potsdamer Platz: (K)Einer will den Stern
■ BerlinerInnen und TouristInnen haben ganz andere Ideen für den Potsdamer Platz / StudentInnen starteten kreative Umfrage
Nabel der Welt. Du stehst bis zum Hals im Wasser des Freibades, schlürfst deinen Campari, blickst rechts auf eine Obstwiese im Naturpark. Links von deinem träumenden Auge befindet sich öde und leer der Rest des ehemals gänzlich brachliegenden Potsdamer Platzes - freigehalten als „Gegenstand permanenter Planung“.
Utopische Vorstellungen, nicht-repräsentativ, gleichwohl ein Querschnitt aus Hunderten von Gesprächen, die Studenten der Landschaftsplanung von Technischer Fachhochschule (TFH) und Universität (TU) seit einigen Tagen am Potsdamer Platz mit Passanten geführt haben. Sie verstehen ihr dort aufgebautes grünes Zelt als „Internationales Forum der Kritik und Kreativität„; entsprechend international sind die Vorschläge zur künftigen Gestaltung des Platzes. Kinderspiel und Speaker's Corner, Freiluftbühne und Marktplatz, multikulturelles Zentrum und „Zentrum für Frieden und Abrüstung“ werden gewünscht.
Das vom Senat favorisierte Dienstleistungszentrum Daimler -Benz rangiert mit 12 Nennungen gerade eben noch vor Autobahn (11) und Friedhof (4). Man sei erstaunt über die Resonanz der Bevölkerung, berichten Johannes Kerssenbrock und Andreas Seidel. Viele Leute hätten Angst vor „Frankfurter Verhältnissen“ und kämen begeistert der Aufforderung „Spielen Sie mit“ nach.
Die Studenten wünschen sich für den Sommer ein Anwachsen des mit 25 bis 30 Bewohnern noch kleinen spontanen „Dorfes“ am Platz. Dänische Touristen hätten bereits begeistert von einer Fernsehmeldung über „dieses Dorf, in dem jeder leben kann“, berichtet. Grundlage für die Umfrage zur künftigen Gestaltung sind Pläne, die die Landschaftsplanergruppe im letzten Jahr erarbeitet hat. Nach ihren Vorstellungen „kann man diesem Gebiet Leben einhauchen“, wenn man neben dem bestehenden Kulturzentrum, Wohnen und Grün die verschiedenen Bedürfnisse der Berliner und Besucher erstmal erfragt und dann in die Planungen einbezieht.
„Wir wollen die vom Senat vermiedene öffentliche Auseinandersetzung auf den Platz tragen“, fordern sie in einem Flugblatt, in dem gegen den übereilten Verkauf von Senatsgrundstücken an Konzerne protestiert wird. Wer sich der Hoffnung der Dorfbewohner, „it's gonna be a long hot summer“, vielleicht in Erinnerung an das Kubat-Dorf auf dem Lenne-Gelände, anschließen kann, bringt gleich Zelt und Schlafsack mit.
Sigrid Bellack
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