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Ryschkow bietet Rücktritt an

■ Versorgungslage in den Großstädten der DDR verschlechtert sich dramatisch / Hamsterkäufe gemeldet Ryschkow will nicht „gegen das Volk“ regieren / Chancen für Jelzin als Parlamentsvorsitzender gestiegen

Berlin (ap/taz) - Während sich in Moskau und anderen Großstädten die Versorgungslage dramatisiert und Hamsterkäufe gemeldet werden, kündigte Ministerpräsident Ryschkow auf der dritten Tagung des Obersten Sowjet der UdSSR seinen Rücktritt an - falls die Wirtschaftsreform auf zu große Widerstände in der Bevölkerung stoße. „Wenn die Leute mir nicht vertrauen, werde ich nicht gegen sie regieren“, erklärte der Ministerpräsident. Den Vorschlag des Gorbatschow-Beraters Leonid Abalkin, eine Volksabstimmung über die Einführung der Marktwirtschaft durchzuführen, erwähnte er nicht mehr direkt.

In dem von Ryschkow am Donnerstag und gestern vor den Abgeordneten des Obersten Sowjet verteidigten Reformplan sind mit Wirkung vom 1. Januar kommenden Jahres massive Preiserhöhungen vorgesehen. Bereits ab 1. Juli verdreifacht sich der Preis für Brot. Der Staat habe endlich reagieren müssen, erklärte der Ministerpräsident. Obwohl das Nationaleinkommen sich in den ersten vier Monaten um 1,7 Prozent verringert habe, seien die Geldeinnahmen der Bevölkerung um 13,4 Prozent gestiegen.

Ryschkow benannte damit eines der Hauptprobleme der sowjetischen Ökonomie, nämlich das Ansteigen des Einkommens der Bevölkerung um 105 Milliarden Rubel in den letzten zwei Jahren, dem ein Absinken der Produktion gegenübersteht. „Dieses scheinbare Plus hat sich für die Wirtschaft in ein Minus verkehrt - die Krisenerscheinungen haben stark zugenommen... Die Geschäfte sind nach wie vor leer, die Unausgewogenheit der Wirtschaft wird immer größer und die Disproportion zwischen Geldmassen und Warenvorräten nimmt lawinenartig zu.“

Besonders schwierig sei die Devisenlage des Landes, die sich besonders in den letzten Monaten zugespitzt hatte. Dies hänge insbesondere damit zusammen, daß die Regierung aufgrund der schlechten Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung beschließen mußte, zusätzliches Getreide und Nahrungsgüter im Ausland zu kaufen. Für diese Käufe waren fast drei Milliarden Rubel notwendig.

Weiterhin erklärte Ryschkow, daß durch die nationalen Konflikte, die Streiks und zunehmende ultimative Forderungen an Moskau das Land spürbare Verluste erlitten habe, dazu zähle ein Arbeitszeit verlust von 9,5 Millionen Arbeits tagen.

Währenddessen sind die Chancen für die Kandidatur Boris Jelzins für das Amt des Parlamentsvorsitzenden der Sowjetrepublik Rußland gestiegen. Denn überraschenderweise hat der Gorbatschow-Intimus und bisherige Regierungschef der Republik, Alexander Walssow, seine Kandidatur zurückgezogen. Gegen Jelzin kandidiert jetzt der konservative Krasnojarsker Parteichef Iwan Poloskow. Siehe Korrespondentenbericht S.2

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