: „Wenn der Krieg wieder beginnt...“
Contras brechen schon wieder die Verhandlungen über ihre Entwaffnung (vom 4. Mai) ab ■ Aus Managua Ralf Leonhard
„Wenn der Krieg morgen wieder beginnt, sind wir dafür nicht verantwortlich.“ Drohend überrascht Contra-Comandante „Ruben“ am Samstag die Presse. Der Contra-Chef beklagt, daß die sandinistische Armee jetzt die Sicherheitszonen, wo die Contra-Kämpfer sich gesammelt haben, umstellt hätten.
Ihre Verhandlungen mit der Regierung Chamorro über ihre Entwaffnung seien inzwischen abgebrochen. Denn die weiterhin von Sandinisten geführte Armee habe ein „Massaker“ an 14 bereits entwaffneten Guerilleros verübt. Etwa hundert Zivilisten seien bei dem Überfall im Norden am 18. Mai verletzt worden.
Eine von der Regierung daraufhin in die Provinz Matagalpa entsandte Kommission kehrte jedoch nach Managua zurück, ohne Belege für einen Überfall gefunden zu haben. „Wir fanden nicht das geringste Indiz, daß das Ereignis überhaupt stattgefunden hat“, erklärte der Sprecher der internationalen Verifizierungskommission, Santiago Murray, nach seiner Rückkehr.
Ihre Entwaffnung war von den Contras bereits am 19. Mai gestoppt worden. Und nun wurden sogar die bereits entwaffneten Mannen von „Ruben“ zur Rückkehr in die Sicherheitszonen aufgefordert. Er verlangt vor allem neue Sicherheitsgarantien für die zu entwaffnenden Kämpfer.
Oscar Sobalvarro, alias „Ruben“, schien sichtlich verärgert, daß die Finte des angeblichen Massakers, mit der die Demobilisierung verzögern werden sollte, aufgeflogen war. Die Contra-Chefs konnten sich nicht festlegen, ob die Attacke am Vortag oder schon am 18. November stattgefunden haben. Sie sprachen von über hundert toten Zivilisten, die dann nachträglich auf fünf korrigiert wurden. Die Toten befänden sich in der Leichenhalle in Matagalpa. Ein Anruf im Leichenschauhaus ergab jedoch, daß zur Zeit lediglich ein 16jähriges, an einer Gehirnblutung verstorbenes Mädchen dort liege.
„Ich bedaure den Mangel an Vertrauen, den einige Chefs des Widerstandes in die Zukunft und meine Regierung hegen“, seufzte Präsidentin Chamorro am Abend in einer Botschaft an die Nation. Dennoch vertraue sie, daß bis zum Stichtag am 10. Juni alle Contras entwaffnet seien und ein neues Leben beginnen würden.
Die Contras machen jedoch keine Anstalten, das Demobilisierungsabkommen vom 4. Mai zu erfüllen. Erst 1.770 von über 16.000 haben ihre Waffen abgegeben. Davon gehört ein großer Teil zur indianischen Organisation „Yatama“, deren rund 2.000 Mitglieder ihre Entwaffnung nicht behindern.
In der Sicherheitszone 1, wo etwa 5.000 Contras sein sollen, haben sich noch keine 50 zur Rückkehr ins zivile Leben entschlossen. Dort sollen die diszipliniertesten Truppen in Kampfbereitschaft stehen.
Gustavo Tablada, der Direktor des Agrarreforminstituts, hat zwölf mögliche Punkte für die „Entwicklungspole“ der Contras vorgeschlagen. Fünf befinden sich auf Staatsland und könnten für Siedlungsprojekte freigegeben werden. Die Contra-Chefs haben aber noch keinen Zensus ihrer Leute vorgelegt, die sich dafür interessieren. Bisher haben sie nicht einmal eine Liste von Witwen und Waisen angefertigt, denen staatliche Pension zustehen wird.
Den Contra-Chefs geht es offenbar nicht um Integration und Wiedereingliederung ins Zivilleben. Sie wollen ihre Truppen beisammen halten, ihre eigene Polizei aufstellen und auch die inzwischen von den USA bewilligten 35 Millionen Dollar für ihre Repatriierung selbst verwalten.
Die Gelder sind vom US-Kongreß für die CIAV bestimmt worden, die für die Abrüstung, Ernährung und Sicherheit der Demobilisierten sorgt. Die CIAV und deren Urteile sind den Contras schon lange ein Dorn im Auge. „Wenn die Contras das Geld bekommen“, erklärte Santiago Murray vor zwei Wochen, „dann gehen wir.“
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